1072 - ...dann bete in der Hölle, Sinclair!
gäbe es nichts anderes auf der Welt für mich zu sehen als den Toten.
Das Zeitgefühl hatte ich vergessen. Ob Sekunden oder Minuten vergangen waren, wußte ich nicht. Es gab nur mich und diesen Toten.
Zudem strengte mich das intensive Starren auch an. Der Blick verschwamm etwas, was sich auf das Ziel auswirkte. So hatte ich hin und wieder den Eindruck, als würde sich die Gestalt bewegen.
Ein Irrtum, der sehr bald verschwand, als ich über meine Augen gewischt hatte. Die Hand war noch dabei, nach unten zu sinken, als es geschah.
Plötzlich war das Gas da.
Über die Lautsprecher wurde das puffende Geräusch übertragen, und noch in der gleichen Sekunde jagten die klaren, extrem heißen und auch starren Feuerzungen auf die Leiche zu.
Sie kamen von allen Seiten. Von vorn, hinten, von rechts und von links.
Nur nicht von oben, da blieb das Gewölbe dunkel.
Der Tote wurde eingehüllt. Die extreme Hitze breitete sich über seinem Körper aus. Und plötzlich richtete sich die Leiche noch einmal auf. Das Wasser in seinem Körper verdampfte, alles zog sich zusammen, und genau diese Vorgänge sorgten für das kurze hochschnellen.
Für mich, den Zuschauer, sah es aus, als wollte sie mir entgegenspringen. Hinter dem dünnen, heißen Vorhang aus Gasflammen sah ich das schreckliche Totengesicht noch einmal überdeutlich, dann war die Hitze so stark geworden, daß dieses Gesicht innerhalb von wenigen Augenblicken zusammenschmolz.
Es hielten keine Knochen mehr zusammen. Es gab keine Verbindung mehr. Die Haut schrumpfte weg, und das passierte am gesamten Körper der Leiche.
Sie verbrannte blitzartig zu Asche, die wiederum durch die Lücken im Rost nach unten fiel. Hinein in den Trichter, durch den die Reste rutschten, um dann von der Urne aufgefangen zu werden.
Das bekam ich nicht mehr so deutlich mit. Ich hatte den Kopf zur Seite gedreht. Aus dem Augenwinkel nahm ich noch wahr, daß die Flammen schlagartig zusammenfielen. Sie hatten ihre Pflicht getan. Dort, wo die Leiche einmal gelegen hatte, war nichts mehr zu sehen. Nicht einmal Asche klebte auf den Stäben.
Der Tote war verschwunden, und ich dachte daran, wie schrecklich ein Leben letztendlich enden konnte. Aber ich wußte auch, was mir bevorstand. Nur mit dem Unterschied, daß man mich lebend auf den Rost legen würde.
Okay, ich war Drohungen gewohnt.
Wie oft schon hatte ich mich in äußerst extremen Situationen befunden und war ihnen immer wieder entwischt. In diesem Fall sah es eher negativ aus, denn auf fremde Hilfe konnte ich mich nicht verlassen. Suko und Sonja waren ebenso in die Falle gelaufen und für den Rost vorgesehen wie ich. Der Major hatte sie nur kurz erwähnt und keine konkreten Angaben gemacht. Dieses Gut war groß. Da gab es bestimmt mehrere Räume, die mit Gefängniszellen verglichen werden konnten.
Das Metall würde wieder erkalten und darauf warten, abermals ein Opfer zu bekommen. Wie lange ließ sich der Major Zeit? Außerdem war er unsicher geworden. Er konnte nicht fassen, daß sein Geschöpf Kathy verschwunden war. Bisher hatte ich ihm gegenüber den Mund gehalten.
Er hatte mir mit Folter gedroht. Ich war überzeugt, daß er zahlreiche Möglichkeiten kannte, um einem Menschen die Zunge zu lockern. Davor fürchtete ich mich. Schon jetzt machte ich mir Gedanken darüber. Ich ging davon aus, daß er nicht allein mein Zimmer hier betreten würde.
Einer wie er brachte Verstärkung mit, und seine Leute waren ebenso grausam wie er selbst. Typen wie sie verstanden ihr Handwerk.
Als ich mit den Händen über mein Gesicht strich, da spürte ich schon den kalten Schweiß, der schließlich an meinen Handflächen klebenblieb.
Ich reagierte wie ein Mensch und nicht wie ein Roboter. Auch mein Herzschlag hatte sich beschleunigt.
Es war so still geworden. Ich war in der Lage, jedes Geräusch zu hören.
Achtete auch darauf. Auf Schritte, auf Stimmen oder auf Kommentare.
Noch passierte nichts. Man ließ mich im übertragenen Sinne schmoren, bevor es richtig begann.
Ich schaute auf die Uhr. Sicherlich war ich schon mehr als zwei Stunden hier eingeschlossen. Draußen drückte die Vollmondnacht gegen die Mauern. In meinem Zimmer spielte die Zeit keine Rolle. Ein Fenster gab es nicht. Alles blieb gleich.
Ich sah es auch als sinnlos an, mir jetzt einen Plan zurechtzulegen. Ich mußte wirklich abwarten, wie sich Blake verhalten würde, wenn er dann kam.
Ja, er kam.
Ich hörte ihn.
Es waren die hart aufgesetzten Schritte. Bewußt gemacht, wie ich
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