1072 - ...dann bete in der Hölle, Sinclair!
Berührung.
Sonja schrak zusammen, schrie auf, schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht, der Schock hatte sie erwischt.
Es war klar, logisch, natürlich. Suko wäre der letzte Mensch gewesen, der dafür kein Verständnis gezeigt hätte, aber er mußte weitergehen, und zwar mit ihr. Er wollte und mußte John herausboxen. Es würde verdammten Ärger geben, auch das war ihm klar, aber er konnte Sonja nicht hier zurücklassen. Sie mußte an seiner Seite bleiben, und sie war auf dem weiteren Weg natürlich Ballast.
Er sprach sie mit leiser Stimme an. »Bitte, Sonja, du mußt dich jetzt zusammenreißen. Ich weiß selbst, wie schwer es ist, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Wir beide sind auf uns allein gestellt. Wir können nicht hier bleiben. Wir müssen entkommen.«
Sie hatte Sukos Worte gehört, auch begriffen, denn ihre Hände sanken langsam nach unten. Von oben her schaute Suko in das verquollene Gesicht eines zitternden jungen Menschen, der mit seiner Kraft am Ende war und es allein nicht schaffen konnte.
Noch immer schaute sie nicht zum Toten hin. Nur daran vorbeiblicken.
Ihn nicht sehen, dessen Brust von einigen Kugeln getroffen war und schlimm aussah.
»Ich helfe dir hoch…«
»Nein, ich kann es allein«, flüsterte sie. »Es ist nur so schlimm. Es ist alles auf einmal gekommen. Ich habe nicht damit gerechnet. Ich wußte auch nicht, daß es so etwas gibt. Das ist grauenhaft für mich, Suko.«
»Das weiß ich, auch wenn es sich so profan anhört. Aber wir müssen da durch.«
»Wohin willst du?«
»Ich werde jetzt dafür sorgen, daß du diesen verdammten Bau verlassen kannst. Das ist jetzt wichtiger. Ich kehre zurück und suche nach John Sinclair.«
»Und meine Schwester?«
»Nach ihr auch.«
Sonja überlegte einen Moment. »Ich habe gesehen, daß sie kein Mensch mehr ist. Ich weiß es. Sie ist grauenhaft. Sie atmet nicht mehr. Ich habe es nicht vergessen, Suko. Das ist kein Traum gewesen, wirklich nicht…«
»Deshalb ist es jetzt wichtig, wenn du an dich denkst, Sonja.« Nach diesem Satz streckte er ihr die Hand entgegen. Sonja sah sie und nickte schließlich. Sie umfaßte Sukos Hand mit ihren schweißfeuchten Fingern und ließ sich von ihm in die Höhe ziehen. Auf sehr wackligen Füßen blieb sie totenbleich stehen.
Es fiel ihr sehr schwer, Halt zu bewahren. Suko stützte sie ab, und Sonja ließ sich gegen ihn fallen. Ihr schönes Sommerkleid war verschmutzt, sie selbst ebenfalls und auch verschwitzt, aber sie lebte, und nur das zählte.
»Können wir gehen?«
»Wohin?«
»Wir müssen eben herausfinden, wo sich die Wege befinden.«
»Hier wird auch verbrannt, nicht?«
Sonja hatte das Thema angesprochen, von dem Suko bewußt nicht geredet hatte. Das junge Mädchen hatte schon genug gelitten, es sollte nicht noch etwas hinzukommen.
»Sag doch was, Suko!« Ihre Stimme hatte einen schrillen Klang bekommen.
Sie stand unter großem Druck.
Da sie die Wahrheit wissen wollte, behielt Suko sie auch nicht mehr für sich. »Ja, meine Liebe, es wird verbrannt. Das soll uns hier nicht stören. Versuche einfach, es zu ignorieren.«
»Das kann ich nicht.«
»Keine Sorge, es klappt schon.« Er schob sie vor. »Du wirst immer an meiner Seite bleiben, das ist wichtig.«
Sonja ging noch nicht. Sie warf statt dessen einen Blick auf die Maschinenpistole. »Nimmst du sie mit?«
»Es ist sicherer.«
Sie erschauerte. »Ich habe Angst vor ihr. Sie ist eine so schreckliche Waffe.«
»Stimmt. Aber es ist besser, wenn man sie bei sich hat.« Suko hatte die Worte einfach so dahingesagt. Er vermißte seine Dämonenpeitsche. Bei den Soldaten hatte er sie nicht gefunden. Wahrscheinlich war sie in die Hände des Majors gefallen.
Sonja hatte ihn genau beobachtet. »Woran denkst du?« fragte sie leise.
»Ist nicht so wichtig.«
»Doch, sag es mir. Ich muß es wissen. Ich bin ja jetzt bei dir.«
»Es geht um eine Waffe, die ich vermisse. Keine Pistole und auch kein Revolver. Etwas anderes.«
»Was denn?«
»Eine Peitsche.«
Sonja hielt für einen Moment den Atem an. »Was sagst du da? Du hast eine Peitsche bei dir getragen?«
»Schon gut.«
Sie ging auch nicht näher darauf ein, weil ihr dieses Thema wohl zu suspekt war.
Es gab einen Ausgang, es gab eine Tür, und die war jetzt offen. Sonja hatte es plötzlich eilig. Sie wollte darauf zulaufen, aber Suko hielt sie zurück. »Nein, nicht so schnell. Ich kenne mich aus, Sonja, und deshalb werde ich immer den ersten Schritt tun. Du bleibst stets hinter mir.
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