1073 - Liebling der Toten
wissen, wo wir ihn finden können. Auch wenn Sie Angst vor ihm haben sollten, das ist vorbei. Er wird Ihnen nichts mehr tun können, weil wir ihn für den Rest seines Lebens hinter Gitter stecken. Darauf können Sie sich verlassen, Sally.«
Sie zog die Nase hoch. Noch immer überlegte sie. Schließlich nickte sie uns zu. »Okay, ich sage Ihnen was. Aber ich kann nicht dafür garantieren, daß es seine Richtigkeit hat. Wayne lebt in einer kleinen Wohnung in Soho.«
»Adresse?«
Wir bekamen sie. »Aber er ist nicht da, das sage ich Ihnen jetzt schon. Nach der Sache gestern nacht wollte er untertauchen. Deshalb habe ich Schiß, verdammt. So leicht werden Sie ihn nicht kriegen. Wayne ist gut, der weiß, was er tut, und der vergißt auch nichts. Er wird irgendwann erfahren, wer ihn verraten hat. Dann bin ich dran.«
Tanner winkte ab. »So einfach ist das nicht. Er müßte dann zu Ihnen in die Zelle kommen, Miß Moreno, denn als Mitwisserin muß ich Sie vorläufig festnehmen.«
Wieder lachte sie und sagte: »Sie werden lachen, aber diesmal habe ich nichts dagegen einzuwenden.«
»Sehr gut.« Tanner wandte sich an mich. »Kommst du wieder mit, John?«
»Nein, ich bleibe noch hier.«
»Warum?«
»Reines Gefühl. Es gab zwei Tote, Tanner. Beide sind noch nicht gefunden worden. Wir haben Sie auch nicht identifiziert, und ich weiß nicht, ob es wichtig ist, aber ich kann mir vorstellen, daß der männliche Tote sogar hier gelebt hat.«
»Das ist möglich.«
»Deshalb werde ich mich mal hier umhören.« Bei Sally fing ich damit an.
»Kennen Sie den Toten?«
»Nein. Ich habe ihn außerdem nicht gesehen. Wayne wollte die Leiche wegschaffen.«
»Wohin?«
»Keine Ahnung.«
»Hat er sie in sein Auto geladen?«
»In einen Sportwagen? Wohl kaum. Soviel Platz ist dort auch nicht.«
»Dann könnten sie noch hier in der Nähe zu finden sein. Paß auf, John, solltest du keinen Erfolg haben, gib mir Bescheid. Ich werde dann mit meinen Männern eine Suchaktion starten. Außerdem brauchen wir noch das tote Mädchen.«
Da irrte er sich. Es war gefunden worden, wie man uns meldete. Und zwar im Keller des Hauses. Dort hatte man die Tote in ein feuchtes Verlies gestopft.
Blieb noch der andere.
Wir waren wieder ausgestiegen. Tanner hatte Sally Moreno abführen lassen. Trotz des Nieselregens hatten sich die Gaffer nicht verzogen.
Aber die Wagen mit den Mädchen waren weg.
Ich schaute in die Gesichter der Neugierigen. Sie kamen mir vor wie glatte nasse Masken. Ich wußte, daß es schwer werden würde, aus ihnen etwas herauszubekommen.
Quer über die Straße kam ein Mann auf uns zugelaufen. Er winkte uns, dann blieb er heftig atmend vor uns stehen.
»Ich nehme an, daß Sie von der Polizei sind.« Tanner nickte. »Das ist gut.«
»Worum geht es?«
»Mein Name ist Dr. Owen. Ich bin Arzt, und ich wurde zu einer Frau gerufen, deren Son gestorben ist. Ich fand ihn in seinem Bett, aber er ist keines normalen Todes gestorben. Man hat ihn umgebracht durch einen Schlag oder Tritt gegen den Kopf…«
***
Nicht nur bei Tanner klingelten alle Alarmglocken, auch bei mir. Wir stellten nicht mehr viele Fragen. Es war jetzt viel wichtiger, daß wir handelten, und Dr. Owen zeigte sich als guter Partner. Er führte uns zu dem Haus, in dem die Leiche war.
Ein alter Bau. Ziemlich abgewohnt. Sowohl innen als auch von aussen.
Treppen, die aus Holz bestanden und ziemlich brüchig wirkten. Wir mußten in die erste Etage, in der die Tür der Wohnung offenstand. Wir ließen Dr. Owen den Vortritt, der mit einer Frau sprach, die wie verloren auf einem Sessel saß und leise vor sich hinweinte. Der Weißkittel winkte uns und sprach davon, daß die Frau unter Schock stand.
Wir erfuhren, daß sie Erica Morton hieß und um ihren toten Sohn Kevin trauerte.
»Wo liegt er?« fragte ich.
»Im Nebenzimmer, kommen Sie.«
Wir folgten dem Arzt in einen kleinen Raum, in dem sofort das Bett auffiel. Der Tote lag dort wie hingestreckt. Am Kopfende des Bettes brannte eine Lampe.
»Kommen Sie, meine Herren.«
Zu dritt blieben wir neben dem Bett stehen. Der Arzt berührte den Kopf vorsichtig und zeigte uns die Wunde. Genau dort, wo der Mann getroffen worden war, sah der Kopf schlimm aus. Unter den Haaren malte sich ein Riß ab.
»War es ein Tritt oder ein Schlag, Doktor?« fragte ich.
Der Arzt zuckte die Achseln. »Das kann ich nicht genau sagen. Der Treffer hat ihn mit großer Wucht erwischt. Wahrscheinlich ist die Schädeldecke zertrümmert. Genaueres wird
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