1075 - Die Waffe der Porleyter
Kribbeln. Mit diesem Kribbeln erwachte das, was die Kärraxen auszeichnete: Der unbändige Wille, zu fressen - und zu überleben.
„Hier gibt es Nahrung für dich", lockten die Gedanken des Porleyters. „Ich werde dich hinführen."
Die Kärraxe verstand ihn nicht genau. Sie begriff nur, daß er ihr etwas zum Fressen anbot, und sie folgte dieser Lockung. Widerstandlos strengte sie sich an und legte eine beträchtliche Entfernung zurück. Dann hatten sie ein entsprechendes Depot erreicht.
Die Kärraxe stand begriffsstutzig vor der Box. Ihr Begriff von „Nahrung" war sehr eng eingegrenzt und umfaßte ausschließlich andere Wesen, die sich bewegten Und eine entsprechende Größe besaßen. Dano wußte, daß er die Automatik nicht dazu würde bringen können, Nahrung in dieser Form zu erzeugen. Darum griff er - nicht zum erstenmal - massiv in die Reaktionen seines Wirtes ein. Er bewegte einen der Handlungsarme der Kärraxe. Die scharfen Klauen berührten verschiedene Sensorpunkte. Die Kärraxe sträubte sich gegen die Beeinflussung, aber sie war seit jeher zu schwach gewesen, um sich gegen den Porleyter durchzusetzen.
Die Automatik brauchte Sekunden, um Danos Wünsche zu verarbeiten. Die Bedürfnisse einer Kärraxe waren von denen eines Porleyters sehr verschieden. Aber dann ergoß sich ein Strom von konzentrierter Nahrung in einen Trog.
Die Kärraxe sah es, reagierte aber immer noch nicht. Diese Art von Nahrung floß zwar und bewegte sich damit, aber es war eine Form der Bewegung, die für die Bestie völlig nichtssagend wirkte. Die Kärraxe spürte nicht das geringste Verlangen, diesen Brei zu sich zu nehmen.
Wieder griff Turghyr-Dano-Kerg ein. Er zwang das Maul der Kärraxe herab. Der erste Bissen rutschte nur dank seiner Nachhilfe. Dann ging es leichter, und schließlich begriff die Kärraxe: Sie schluckte den Brei von selbst, aber sie tat es ohne innere Begeisterung.
„Es wird dich stark machen", versprach Dano beruhigend. „Hier gibt es keine andere Nahrung. Wir müssen uns mit dem zufrieden geben, was vorhanden ist."
Er wußte, daß die Kärraxe ihn nicht verstand, und er dachte daran, wie es sein würde, wenn er über einen anderen Wirt verfügte - einen, der ihm intellektuell weitaus näher stand. Dano dachte an Clifton Callamon, jenes Wesen, in dem er bereits einen großen Teil seiner Kenntnisse, Erinnerungen und gefühlsmäßigen Regungen verankert hatte.
Der Gedanke an Callamon machte ihn unruhig. Er mußte sich dazu zwingen, die Kärraxe in Ruhe zu lassen. Die Bestie brauchte Nahrung – aber Turghyr-Dano-Kerg brauchte noch viel dringender einen neuen Wirtskörper.
Ihm wurde bewußt, daß eine Rückkopplung zwischen ihm und seinem Wirt bestand.
Je weiter die Kärraxe ihr Nahrungsdefizit ausglich, desto ungeduldiger wurde der Porleyter. Sein Verstand sagte ihm, daß die Bestie eine weit längere Pause gebraucht hätte, aber ein bohrendes Gefühl der Ungewißheit zwang ihn, diese Erkenntnis zu ignorieren.
Rein äußerlich war die Kärraxe bereits wieder fast hergestellt. Nur ein paar oberflächliche Wunden waren übriggeblieben, die jedoch im Sonnenlicht bald abheilen würden.
Dennoch bewegte die Bestie sich spürbar langsamer und schwerfälliger als sonst. Und nicht nur ihre schlechte gesundheitliche Verfassung machte der Kärraxe zu schaffen - die fremde Umgebung verunsicherte sie noch zusätzlich.
Diese Bestien waren einem Leben in freier Natur angepaßt. Sie brauchten den direkten Kontakt zum gewachsenen Boden, und sie orientierten sich anhand von Geräuschen und Gerüchen, die viel zu fein waren, als daß ein Porleyter sie hätte wahrnehmen können. Hier auf Zhruut gab es diese Geräusche und Gerüche nicht, und auch das, was die schmalen Augen der Kärraxe aufnahmen, war nicht dazu geeignet, das Tier zu beruhigen. Das leuchtende Blau war allzu fremdartig für den begrenzten Verstand der Bestie, als daß sie sich damit hätte abfinden können. Turghyr-Dano-Kerg hatte Mühe, seinen Wirt zu größerer Geschwindigkeit anzutreiben. Die Kärraxe reagierte mitunter sogar geradezu ängstlich - ein Umstand, der Dano sehr beunruhigte.
In ihrer natürlichen Umgebung war die Kärraxe so ungefähr das wildeste - und gierigste Ungeheuer, das man sich vorstellen konnte, eine Bestie, die nicht nur keinem Kampf auswich, sondern ihn sogar suchte. Und so ein Ungetüm reagierte ängstlich wie ein Kind auf ein paar blaue Mauern...
„Vorwärts!" befahl Dano unnachgiebig, und die Kärraxe schlich behutsam
Weitere Kostenlose Bücher