1079 - Station der Freien
schob sich an ihm vorbei und eilte davon. Entsetzt erkannte sie, daß sie ihren Sohn weit unterschätzt hatte. Sein wehleidiges Gehabe, das er oft an den Tag legte, hatte sie gründlich getäuscht.
Thoresyn blickte ihr nach, und er schämte sich, daß sie seine Mutter war.
Er hatte Xambeskary bewundert und verehrt. Der Stellvertretende Exponent hatte die Hoffnung auf bessere Zeiten verkörpert. Oft hatte Thoresyn mit ihm diskutiert. Er hatte versucht, ihn für einen Kampf gegen den Exponenten zu gewinnen, doch er war nicht bereit gewesen, Naggencarphon zu stürzen und alle Bewohner der Anlage aus der Tyrannei zu befreien.
„Jetzt ist es zu spät für dich", sagte er leise. „Dieses Ungeheuer von einem Weib hat dich umgebracht. Warum mußtest du dich auch mit ihr einlassen?"
Er dachte daran, daß sich schon viele Männer von Tranga hatten umgarnen lassen.
„Es war tödlich", sagte er leise. „Für sie alle. Nicht ein einziger von ihnen lebt noch."
Irgendeiner von ihnen war mein Vater. Naggencarphon bestimmt nicht. Ich habe zu wenig mit ihm gemein. Ich bin ganz anders als er, und ich bin froh darüber.
Thoresyn zog sich in seine Gemächer zurück.
Voller Bitterkeit erinnerte er sich daran, mit welchen Hoffnungen er nach Traaym gekommen war. Er war von freiheitlichen Ideen erfüllt gewesen, nachdem es ihm gelungen war, das mentale Joch von Seth-Apophis abzuschütteln. Wie viele andere, hatte er den mentalen Schlag überstanden, ohne wahnsinnig zu werden. Danach war er für die geistigen Impulse der Superintelligenz unerreichbar geworden.
Vagen Gerüchten folgend, war er nach Traaym, einer verlassenen Anlage am Rand des rotierenden Nichts gekommen. Tatsächlich hatte er hier zahlreiche Gerjoks, Jauks, Phygos und Sawpanen gefunden, die ebenfalls keine Sklaven von Seth-Apophis mehr waren, aber keiner von ihnen war frei.
Sie standen unter der Knute von Naggencarphon, der sich zum Herrscher über sie aufgeschwungen hatte, und der mit grausamer Hand regierte.
Du bist ein Verräter, Naggencarphon, dachte der jugendliche Gerjok. Wir alle haben geglaubt, daß wir gegen Seth-Apophis kämpfen würden, daß wir in unsere Heimat zurückkehren und dort unter Umständen leben könnten, unter denen zu leben sich lohnt. Aber du hast uns alle um unsere Hoffnungen gebracht.
Er ließ sich auf seinen Diwan fallen und vergrub seinen Kopf unter den Flügeln.
Die Lage war aussichtslos.
Es gab niemanden in Traaym, der sich gegen Naggencarphon erheben würde.
Warum? fragte Thoresyn sich.
Diejenigen, die es versucht hatten, waren hingerichtet worden, ohne daß jemand hätte sagen können, wie Naggencarphon herausgefunden hatte, daß sie sich gegen ihn erheben wollten.
Es ist, als ob er unsere Gedanken lesen könnte! fuhr es dem Sohn des Herrschers durch den Kopf.
Unwillkürlich richtete er sich auf, doch dann sank er wieder in sich zusammen.
Nein - das kann nicht wahr sein, korrigierte er sich. Er kann kein Telepath sein, denn sonst hätte er längst gemerkt, wie ich wirklich bin, und er hätte sich das schamlose Treiben seiner Frau nicht gefallen lassen.
Schon seit geraumer Zeit hatte der Sohn des Exponenten versucht zu erklären, woher Naggencarphon seine Informationen bezog. Eine Art Geheimdienst gab es nicht in Traaym. Auch umgab sich der Exponent nicht mit einer Schar von Vertrauten. Es gab nur eine Handvoll Gerjoks, die er häufiger in seiner Nähe duldete. Und doch hatte er sich eine unangreifbar erscheinende Machtposition geschaffen.
Der Gedanke, daß einer der Männer, die zum engeren Machtbereich Traayms gehörten, Telepathen waren und Naggencarphon die Namen von Verräter zutrugen, erschreckte Thoresyn und veranlagte ihn, alle Gedanken an Aufruhr und Widerstand zu verdrängen.
Er zweifelte nicht daran, daß der Mann, der sich für seinen Vater hielt, ihn auf der Stelle töten würde, wenn er es politisch für notwendig hielt.
Ich wünschte, ich wäre weit, weit weg, dachte er. Wenn ich tauschen könnte, würde ich lieber als Sklave von Seth-Apophis arbeiten, als hier ein faules Leben unter seiner Knute zu führen.
Er merkte nicht, daß seine Augen feucht wurden.
Es gab keine Möglichkeit, auszubrechen.
Er konnte Traaym nicht verlassen, und er wußte, daß Seth-Apophis ihn augenblicklich vernichtet hätte, wenn sich ihr noch eine Gelegenheit dazu geboten hätte.
Thoresyn fuhr auf, als ihm plötzlich bewußt wurde, daß er nicht allein war.
Ein bullig wirkender Phygo stand an seiner Liege und blickte ihn
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