108 - Die Fratze des Grauens
antiken Tonsplitter stehen und bewies, daß er auch auf dem Gebiet der Kunst und deren Geschichte sattelfest war.
Sie wechselten von einem Saal in den nächsten.
Ramona Ramirez warf einen Blick in den dicken, reich bebilderten Kunstdruckkatalog, um zu sehen, was sie als nächstes erwartete.
»Das wohl sehenswerteste Exponat dieses Saales muß dieser Spiegel sein«, sagte die schöne Mexikanerin und zeigte ihrem Leibwächter die Abbildung. Ihr Englisch war hervorragend. Sie sprach es beinahe akzentfrei - ein Verdienst ihrer britischen Gouvernante, Sie las die Legende unter dem Farbbild.
»Hier steht, daß den Spiegel ein großes Geheimnis umgibt, Mr. Drew.«
»Haben Sie für Geheimnisse etwas übrig?« fragte der Leibwächter schmunzelnd.
»Sie faszinieren mich,« Ramona Ramirez lachte leise. »Ich bin sehr neugierig. Ich bin eine Frau,«
»Oh, auch Männer können ziemlich neugierig sein«, lenkte Preston Drew ein.
»Das Alter des Spiegels läßt sich nicht bestimmen«, sagte die Mexikanerin. »Selbst die besten Experten bekamen es nicht heraus, und niemand weiß etwas über die Herkunft des Spiegels.«
»Klingt reichlich mysteriös«, sagte Preston Drew.
»Man fand ihn vor zwanzig Jahren in der Ruine einer entweihten Kirche, und es heißt, daß sich starke, ja gefährliche Zauberkräfte in ihm befinden. Böse, ja dämonische Kräfte. Ich lebe in einem Land, in dem der Dämonenglaube noch weit verbreitet ist, Mr. Drew.«
»Glauben Sie auch an Dämonen?« fragte der Leibwächter.
»Glauben Sie an Gott, Mr. Drew?« fragte die junge Frau zurück.
»Ja.«
»Nun, ich finde, wer an Gott glaubt, muß auch an die Existenz seines Gegenparts glauben.«
»Sie meinen den Teufel«, sagte Preston Drew.
»Ja, und wenn man an den Teufel glaubt…«
»… ist es zu den Dämonen nur noch ein kleiner, aber logischer Schritt. Wollten Sie das sagen?«
»Ja«, antwortete Ramona Ramirez. »Hier ist von einer alten Überlieferung die Rede«, sagte sie und wies auf die Zeilen unter der Abbildung. »Der ›Dämonenspiegel‹ wird mit einem schlafenden Vulkan verglichen.«
»Ich hoffe, wir sind weit weg, wenn dieser Vulkan ausbricht«, sagte der Leibwächter.
»Die alten Geschichten, die sich um den Spiegel ranken, sprechen davon, daß sich die Hölle auftun und die Welt mit Dämonen überschwemmen wird.«
»Ach, wissen Sie, die Leute erfinden oft die verrücktesten Geschichten um einen Gegenstand. Geschichten, die jeder Grundlage entbehren. In diesem Fall vielleicht, um den Spiegel interessanter und damit wertvoller zu machen«, sagte Preston Drew. Er lächelte. »Ich bin kein leichtgläubiger Mensch. Es ist sehr schwer, mich zu überzeugen. Für mich zählen nur handfeste Beweise.«
»Wo hängt der Spiegel? Ich muß ihn unbedingt in natura sehen.«
»Er befindet sich dort drüben«, sagte Preston Drew und führte die junge Frau vor den großen Spiegel, dessen Glasrahmen kunstvoll geschliffen und mit gelben Raubkatzenaugen verziert war.
»Es ist kein gewöhnlicher Spiegel, das fühle ich«, sagte Ramona Ramirez.
Preston Drew lächelte. »Würden Sie das auch sagen, wenn Sie nicht soviel Mysteriöses darüber gelesen hätten?«
»Spüren Sie denn nicht die Kälte, die davon ausgeht? Fühlen Sie sich von diesen Katzenaugen nicht durchdringend angestarrt? Sie scheinen zu leben…«
»Oja, da war ein wahrer Künstler am Werk«, sagte Preston Drew.
Fasziniert blickte die junge Frau in den Spiegel. Sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß irgend etwas, eine unsichtbare, geheimnisvolle Kraft, auf sie einwirkte.
»Das Gelb dieser Augen«, sagte Ramona Ramirez gepreßt. »Kommt es Ihnen nicht auch so vor, als würde es mit einemmal heller leuchten, Mr. Drew? Als befänden sich kleine Lämpchen darin, die soeben eingeschaltet wurden.«
Preston Drew kniff die Augen mißtrauisch zusammen. Bestand irgendeine Gefahr für Ramona Ramirez?
»Ich… ich habe plötzlich Angst, Mr. Drew«, sagte die Mexikanerin.
»Vielleicht ist es ratsam, daß Sie zurücktreten«, sagte der Leibwächter.
»Ich… kann… nicht«, sagte Ramona Ramirez stockend. »Der Spiegel… Er hält mich fest… Bitte helfen Sie mir, Mr. Drew. Der Dämonenspiegel will mir etwas antun! Wenn Sie mich nicht beschützen, bin ich verloren!«
Die Stimme der Frau wurde immer lauter, immer schriller. Die anderen Personen im Saal hatten sich erstaunt umgedreht - nun kamen sie näher.
Näher zum Spiegel.
Drew packte Ramona Ramirez mit beiden Händen. Die
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