1088 - Killer in der Nacht
ausgestoßen hatte. Deshalb drehte ich mich um und hielt nach dem Menschen Ausschau.
Es war keiner zu sehen. Weder Estelle Crighton, noch Christa Evans. Beide hielten sich in ihren Wohnungen auf.
Dann wieder.
Ein langgezogener, schon schlürfender Atemzug, nicht einmal weit von meinem linken Ohr entfernt.
Ich drehte mich. Leider etwas zu hastig, so daß ich aus dem Tritt kam und mit der Schulter gegen die Wand prallte. Ausgerechnet gegen einen Lichtschalter, den ich nach unten schob.
Es wurde dunkel!
Die Finsternis kam mir blauschwarz vor. Nur unter den Türen einiger Wohnungen drangen gelbe Lichtstreifen hervor, die sich sehr bald auf dem Boden verloren.
Ich schaltete das Hauptlicht noch nicht sofort ein und blieb im Dunkeln stehen, darauf wartend, daß sich das Geräusch wiederholte.
Ja, ich hörte es.
Jemand atmete.
Eine Person, die nicht zu sehen war. Das Atmen hörte sich schlimm an. Es rasselte sogar, aber ich merkte auch, daß es sich immer mehr von mir entfernte und ich sogar den Eindruck hatte, daß es in einem Lachen mündete, bevor es völlig verstummte.
Dann schaltete ich das Licht wieder ein.
Es hatte sich nichts verändert. Die Leiche lag noch immer an ihrem Platz.
Tief atmete ich aus und strich über meine Stirn. Ich hatte nicht so viel getrunken, um mir schon etwas einzubilden. Das brauchte ich auch nicht. Das Atmen war echt gewesen, und mir war es vorgekommen, als hätte sich ein Unsichtbarer direkt an mir vorbeibewegt. An Einbildungen litt ich bestimmt nicht.
Es passierte auch in den folgenden Minuten nichts. Ich wartete auf das Eintreffen der Kollegen. Es dauerte nicht mehr lange, dann waren sie da. Zuerst sah ich den Chef, Inspektor Murray. Er trug einen langen braunen Wollmantel und einen gelben Schal. Sein Gesicht zerfurchte sich, als er mich sah.
»Das ist unser Job, nicht?«
»Ja.«
»Was macht Sie so sicher?«
»Der Zufall. Ich habe die Leiche nur gefunden, weil ich eine Bekannte hierher in ihre Wohnung bringen wollte. Der Tote heißt übrigens Caspar Wayne.«
»He, danke. Sie haben schon vorgearbeitet, wie?«
»Nein, das nicht. Es ist ebenfalls nur ein Zufall. Eine Nachbarin hat es mir erzählt. Sie trat zufällig aus ihrer Wohnung. Außerdem war sie mit Caspar Wayne verabredet.«
»Danke.«
Wir traten gemeinsam an die Leiche heran, und Murray schüttelte sehr schnell den Kopf, kaum daß er einen Blick auf den Toten geworfen hatte. Er war ein Profi, ihm konnte keiner was vormachen, und so faßte er seine Gedanken in Worte zusammen.
»Wer das getan hat, muß ein irrer Killer gewesen sein. Der hat voller Haß getötet. Wieder einmal.«
Ich horchte auf. »Warum sagen Sie das?«
»Es ist der dritte.«
»Bitte?«
»Ja, der dritte innerhalb von zehn Tagen, der auf die gleiche Art und Weise ums Leben gekommen ist. Immer wieder diese Messerstiche in den Rücken. Es sind drei, das kann ich beschwören. War bei den anderen beiden auch so.«
»Sie denken an einen Serienkiller?«
»Allmählich muß ich das.«
Ich räusperte mich. »Serienkiller suchen sich oft Menschen aus, die eine Gemeinsamkeit haben. Haben Sie eine bei den ersten Opfern des Killers gefunden?«
»Nein, habe ich nicht. Der eine war Anstreicher von Beruf, der andere Ingenieur. Verschiedene Lebenswege, wie wir haben feststellen können. Das einzig Gemeinsame waren eben die drei verdammten Messerstiche, die auch hier zu sehen sind.«
Ich nickte. »Okay, Kollege, ich möchte Sie nicht länger stören.«
»Sind Sie weg?«
»Ja und nein.« Ich zeigte ihm die Tür, die zu Estelles Wohnung führte. »Ich werde dort noch ein paar Minuten sein. Vielleicht auch eine halbe Stunde.«
»Gut, dann sind wir hier fertig.« Murray teilte seine Leute ein, auch zur Zeugenbefragung, was für die Männer oft ein frustrierender Job ist, aber das gehörte nun mal dazu.
Ich ging zu Estelles Tür und klingelte. Einen weiteren Schluck konnte ich jetzt vertragen…
***
Estelle Crighton hatte die Wohnung normal betreten, dann aber war es über sie gekommen, und sie hatte sich nicht mehr beherrschen können. Sie war in das Bad gelaufen. Gerade noch rechtzeitig, um sich über das Waschbecken beugen zu können. Dort erbrach sie sich.
Etwa eine Minute blieb sie in dieser Haltung und spürte, wie ihr der Schweiß aus allen Poren drang.
Dann richtete sie sich wieder auf, warf einen Blick in ihr gerötetes Gesicht, wusch es mit kaltem Wasser und trocknete sich ab.
Das Handtuch warf sie in die Dusche und verließ den kleinen
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