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1090 - Der Kardec-Kreis

Titel: 1090 - Der Kardec-Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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seinen Willen.
    Die kleinen, schwarzen Augen des exotisch gekleideten Mannes begannen zu leuchten.
    „Du tust mir der Ehre zuviel an, vornehmer Gast", sagte er auf Interkosmo. „Feng Liang-Li war der Name meines ehrwürdigen Vorfahren, dem ich alles verdanke, was ich auf dieser Erde besitze. Er ist längst zu den Ahnen eingegangen." Ein leiser Zug von Mißtrauen erschien auf dem unverkennbar mongolischen Gesicht. „Du hast ihn gekannt?"
    Solch ein Fehler passiert dir noch einmal, tadelte der Extrasinn, und du kannst deine Mission gleich an den Nagel hängen!
    „Auf unserer Welt gilt er als Legende", antwortete er rasch. „Vor etlichen Generationen geschah es, daß wir einen Sondergesandten nach Terra schicken mußten. Als er zurückkehrte, schwärmte er von den Genüssen, die das Restaurant deines Vorfahren anzubieten hatte. Er brachte Fotografien mit. Deshalb verwirrte mich dein Anblick."
    Der Mann hinter der Theke verneigte sich. Er trug einen Mantel aus reich besticktem, synthetischem Brokat. Die Ärmel waren so weit geschnitten, daß er die Hände mühelos darin verbergen konnte. Auf dem runden Schädel thronte eine flache, zylindrische Mütze, die ein roter Knopf zierte - Amtsabzeichen eines hohen Mandschu-Beamten.
    Und unter der Mütze hervor - da ragte tatsächlich ein Zopf!
    „Sei mein geehrter Gast", sagte der Mann würdevoll. „Mein Name ist Feng Bao-Ding, ich bin dein Diener. Wünschst du eine Unterkunft, so wird dir die beste gegeben werden, die dieses Haus besitzt. Begehrst du eine Mahlzeit, so wird man dir das Kostbarste auftragen - Genüsse, die es nirgendwo sonst mehr gibt."
    Die Sache machte Atlan Spaß. Er beschloß, Feng Bao-Ding auf den Zahn zu fühlen.
    War es möglich, daß es hier noch immer die unschätzbaren Delikatessen vergangener Jahrhunderte gab?
    „Huotuidanzhaofan?" begann er seinen Speisezettel zusammenzustellen.
    Es war, als hätte der Bezopfte einen elektrischen Schlag erhalten. Die Augen weiteten sich.
    „Schinken mit... Ei, auf gebratenem Reis", brachte er stockend hervor. „Ja, gewiß, ehrwürdiger Gast."
    „Baoyouzaixin?"
    Der Durchmesser der Augen nahm noch um etliche Millimeter zu. Die Hände unter den weiten Ärmeln des Mantels begannen zu zittern.
    „Muschelfleisch in chi... chinesischem Kohl! Gewiß, gewiß, geehrter Freund."
    „Muxurou?"
    Mit der Selbstbeherrschung des Chinesen war es fast vorüber.
    „Mu ...", nickte er stotternd.
    „Yuchitang?"
    „Hai... hai... haifischflossensuppe ... ja, ja ..."
    Atlan ließ ihn nicht mehr zur Ruhe kommen.
    „Liangbanyaobian?"
    Entgeistertes Nicken.
    „Und zum Schluß: Babaofan?"
    Da flog an der Theke eine Klappe in die Höhe. Der bezopfte Chinamann kam aus seinem Verschlag herausgeflogen. Er breitete die Arme aus und hätte den Arkoniden im Überschwang seiner Gefühle fast umarmt. In der letzten Zehntelsekunde erinnerte er sich der Würde, die er einem so erfahrenen Gast gegenüber an den Tag zu legen hatte. Er hielt abrupt an, verneigte sich fast bis zum Boden und erklärte mit vor Erregung zitternder Stimme: „Herr und Gast, es ist mir zeit meines Lebens noch nicht geschehen, daß sich ein Fremder in den Sitten und Speisen meiner Vorfahren so unvergleichlich ausgekannt hat wie du. Gib mir die Ehre, dich meinen Freund nennen zu dürfen. Du sollst alles haben, was dein Herz begehrt. Und da du mein Freund bist, sollst du nichts dafür zu bezahlen brauchen."
     
    *
     
    So kam es, daß ein von Nostalgie überwältigter Atlan sich einen glücklichen Abend lang in die Zeit der Mandschu-Kaiser zurückversetzt fühlte. Feng Bao-Ding hielt Wort.
    Alles, was er wünschte, wurde aufgetragen und noch einiges mehr. Die verschiedenen Gänge waren von erstklassiger Qualität. Der Arkonide schwelgte in einer Art, die er fast schon vergessen zu haben glaubte. Es ging auf Mitternacht, als er sich, gesättigt und von schwerem Orangenwein vorübergehend aller Sorgen enthoben, auf sein Zimmer zurückzog, das dem Boudoir einer Hofdame der Kaiserinmutter glich. Er traf eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen und begab sich zu Bett, nachdem er vereinbart hatte, daß man ihn in fünf Stunden wecken werde.
    Als er inmitten tiefer Finsternis erwachte, hatte er das undeutliche Gefühl, daß von der vereinbarten Frist höchstens ein Drittel verstrichen sein könne. Er richtete sich auf und rief dem Servomechanismus zu, er solle die Beleuchtung einschalten. Da hatte er sich jedoch in Feng Bao-Dings Authentizitätsliebe verrechnet: Im Boudoir

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