1093 - Blutkult um Angela
einen Bogen. Das große Lichternetz unter der Decke verstreute seine Helligkeit gleichmäßig. Es floß wie ein grau und weiß gewordener dünner Teppich über unsere Köpfe dahin. Silbriger Glanz lag auf den künstlichen Gräbern, den Steinen, den Figuren und dem knorrigen Gestrüpp.
Es gab keinen, der meine Runde gestört hätte, und so konnte ich mir ohne Schwierigkeiten einen entsprechenden Ort suchen, von dem aus ich das Geschehen beobachtete.
Ich schaute zum besetzten Tresen. Die Perspektive war so gut, daß ich alles unter Kontrolle hatte.
Jede Bewegung fiel mir auf. Ich konnte nur schwerlich akzeptieren, daß diese Angela eine Psychonautin sein sollte. Auf ihrer Stirn jedenfalls malte sich das dritte Auge nicht ab. Es zeigte sich auch nicht als Schattenriß unter der dünnen Haut.
Die Luft hatte sich bestimmt nicht verändert. Daß es mir so vorkam, konnte auch an mir liegen. Sie kam mir klebriger vor und schien sich beim Einatmen in meinem Mund festzusetzen.
Angela bewegte sich. Die Königin der Nacht interessierte sie nicht. Sie begann zu tanzen und streckte dabei ihre Arme aus. Auch sie befanden sich in ständiger Bewegung. Alles sah sehr flüssig und geschmeidig aus. Vergleichbar mit den Bewegungen südasiatischer Tempeltänzerinnen.
Auch der Körper stand nicht mehr still. Sie schwang in den Hüften, sie steppte leicht mit beiden Füßen auf der Theke. Jedesmal wenn sie auftrat, war ein klopfender Laut zu hören.
Musik klang auf. Die beiden Männer der Band an den äußeren Enden zupften und bliesen. Fiedelund Flötenmusik vereinigte sich zu einem für mich schal klingenden Geräusch.
War das die Musik der Vampire?
Glauben konnte ich es nicht. Aber die beiden Frauen in der Gruppe fühlten sich animiert und fingen ebenfalls an zu tanzen. Ich konnte mir vorstellen, daß sich die Bewegungen auf die Zuschauer übertrugen und wir hier einen Vampirtanz erlebten, der den Blutkult einläutete.
Es gelang mir leider nicht herauszufinden, ob es sich bei den fünf Mitgliedern der People of Sin ebenfalls um Blutsauger handelte. Sie hielten die Lippen geschlossen. Wen nicht, öffneten sie die Münder auch nicht weit genug.
Mich erinnerte der Tanz an ein Ritual. Die drei Frauen bewegten sich gleich, bis zu dem Zeitpunkt, als die Arme der Angela so weit zur Seite schnellten, als bestünden sie aus Gummi. Es war eine wohlüberlegte Bewegung gewesen, denn nur so gelang es ihr, die beiden Frauen an den Hälsen zu packen und sie zu sich heranzuziehen. Es sah aus wie eine Liebkosung oder gleich dem Verhalten einer Mutter, die ihre beiden zerstrittenen Kinder wieder zusammenführen wollte.
Ich hatte mit ebenso großer Spannung zugeschaut wie auch die anderen Gäste. Im Gegensatz zu meinem Freunden glaubte ich nicht an die Harmlosigkeit der Angela. Es konnte durchaus sein, daß sie den anderen nur etwas vorgespielt und sie raffiniert getäuscht hatte. Es war schließlich Zeit genug gewesen, um die Pläne vorbereiten zu können.
Ich hatte meine Beretta steckenlassen. Nur kein Aufsehen erregen, das war wichtig. Meine Finger berührten den Griff. Die Pistole war schußbereit, und sicherlich wartete auch Suko darauf, eingreifen zu müssen.
Angela hielt die beiden Mitglieder der Gruppe noch immer fest. Aber sie biß nicht zu, obwohl sie den Mund offenhielt und die Oberlippe zurückgeschoben hatte.
Die drei männlichen Mitglieder der Gruppe spielten weiterhin auf ihren alten Instrumenten. Nach wie vor klang die Musik atonal. Den Gästen schien sie zu gefallen. Es gab niemand, der sich darüber beschwerte.
Biß sie oder biß sie nicht?
Ich war sicherlich nicht der einzige, der darauf wartete. Sollte ich den Versuch auch nur im Ansatz erkennen, würde ich sofort eingreifen und auch auf die Theke klettern.
Nein, sie biß nicht.
Sie flüsterte den beiden etwas zu, während sie sich tanzend bewegten.
Beide Tänzerinnen hatten es kapiert und reagierten sofort. Aus der tanzenden Bewegung heraus streckten sie ihre Arme nach vorn und beugten sich auch vor.
Ihre Zeichen galten der Königin der Nacht, die vor der Theke stand und alles aus nächster Nähe beobachtete. Sie war von dieser Darbietung fasziniert. Das Gesicht schimmerte wie ein weißer Fleck innerhalb des nächtlich schwarzen Outfits, und gern nahm sie die helfenden Hände an, um sich auf die Theke ziehen zu lassen. Dort blieb sie für einen Moment steif stehen, bevor sie sich drehen ließ.
Angela gab ihr einen Stoß, so daß sie in die Arme der beiden
Weitere Kostenlose Bücher