1098 - Der steinerne Bote
waren an Waylon Javier und Perry Rhodan gerichtet, aber auf Olli-Bolli gemünzt. Tanwalzen kannte die BASIS in- und auswendig; dafür war gesorgt worden, bevor man ihn einlud, sich an diesem Unternehmen zu beteiligen. Nichts von dem, was Oliver Javier ihm mit dem altklugen Gehabe eines frühreifen Raumfahrtexperten gezeigt hatte, war für ihn neu gewesen. Aber er mußte sich beeindruckt zeigen, sonst hätte ihn der Junge noch weiter mitgeschleppt. Schwer atmend und mit verzerrtem Gesicht bat er um Verständnis dafür, daß er am Rand seiner Kräfte angelangt war.
„Das war Spaß", krähte Olli-Bolli vergnügt. „Enten-Tan hat gestaunt wie einer, der noch nie ein großes Raumschiff von innen gesehen hat."
„Enten-Tan?" wiederholte Waylon Javier, wobei auf seiner Stirn eine steile Falte entstand.
„Siehst du nicht, wie er geht?" fragte der Junge und wies auf Tanwalzens stämmige, kurze Beine. „Er watschelt wie eine Ente. Deswegen habe ich ihn ..."
„Das reicht, Olli!" sagte Waylon scharf. „Ich glaube, für dich ist es an der Zeit, die Nase ein paar Stunden lang in die Bücher zu stecken - oder was auch immer die Tube anstelle von Büchern verwendet. Sag ihr, sie soll dir schnellstens etwas über Höflichkeit und Respekt im Umgang mit Menschen beibringen."
Olli-Bolli verzog schmollend den Mund. In diesem Augenblick meldete sich unaufgefordert die Hamiller-Tube.
„Das versuche ich schon seit über einem Jahr, Sir, leider bisher mit vernachlässigbar geringem Erfolg. Ich fürchte, ohne Unterstützung durch die väterliche Autorität stehe ich in dieser Hinsicht auf verlorenem Posten."
Waylon Javier lachte trocken auf.
„Väterliche Autorität? Von wem erwartest du die? Von mir? Oh, teurer Freund Hamiller, du bist ein Phantast!"
„Komm, Olli", lockte die Hamiller-Tube. „Für heute steht ein Experiment mit ,intermediate vector baseballs’ auf dem Fahrplan."
Olli-Bollis Gesicht erhellte sich sofort. „Super!" rief er aus. „Ich bin schon auf dem Weg."
Sekunden später war er im Hintergrund der Zentrale verschwunden. Tanwalzen sah ein wenig betreten drein. Die Verlegenheit hatte ihm eine Spur Röte in die Wangen getrieben, als er den Spitznamen hörte, mit dem Olli-Bolli ihn belegte.
„Einen Mordsjungen hast du da, Waylon", sagte er anerkennend.
„Das weiß er schon", platzte Perry lachend heraus. „Das brauchst du ihm nicht mehr zu sagen, Enten-Tan."
*
Ein paar Stunden Ruhe hätten ihm gut getan, aber er empfand keine Müdigkeit. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, den Schlaf mit Hilfe eines harmlosen Medikaments herbeizuzaubern. Aber erstens hatte er eine Abneigung gegen Drogen, auch wenn sie garantiert harmlos waren, und zweitens wußte er aus Erfahrung, daß ein Mangel an Schlafbedürfnis gewöhnlich ein Zeichen war, daß sein Unterbewußtsein ihm etwas mitteilen wollte. Wie viele der wahrhaft wichtigen Entscheidungen, die er in seinem Leben hatte treffen müssen, waren in Stunden gefallen, in denen er von Rechts wegen in tiefem Schlaf hätte liegen sollen.
Er gönnte sich einen Becher Wein und machte es sich im Wohnraum der Kabinenflucht, die man ihm eingeräumt hatte, bequem. Eine Zeitlang ließ er den Gedanken freien Lauf, aber dann bemerkte er, daß ein ganz bestimmter immer wiederkehrte und mit arroganter Hartnäckigkeit versuchte, alle anderen Regungen des Gehirns zu verdrängen. Es war eben jener Gedanke, den er mit Hilfe der zahlreichen Aufregungen der vergangenen Tage immer wieder erfolgreich hatte beiseite schieben können und von dem er auch jetzt nicht belästigt werden wollte. Sie hatte in seinem Bewußtsein nichts verloren, solange dieses Unternehmen noch nicht abgeschlossen war. Je weniger er sich mit ihr beschäftigte, desto wirksamer funktionierte er, desto eher würde es ihm gelingen, das Geheimnis des Frostrubins zu entschleiern und die erste der Ultimaten Fragen zu beantworten.
Er mußte sich beschäftigen. Solange er untätig in einem bequemen Sessel hockte und mildsüßen Wein schlürfte, der auf mitteleuropäischen Gefilden gewachsen war, stiegen immer wieder verlockende Bilder vor seinem geistigen Auge auf, hörte er immer wieder die verführerischen Worte einer dunklen, sanften Stimme.
Er leerte den Becher in seinem Zug und schnellte sich mit einem entschlossenen Ruck aus dem Sessel. Drüben, an der Schmalwand des Raumes, stand der Datenanschluß, der mit dem Positroniknetz der BASIS verbunden war. Er schaltete ihn ein und sagte:
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