11 - Die Helden des Westens
die Natur Sie ooch mit eenigen Gaben bedacht hat, welche noch zur schönsten Entwicklung kommen können, wenn Sie sich entschließen wollen, die westgotisch-byzantinische Loofbahn zu betreten, welche ich mit siegreichen Schritten zurückgelegt habe. Wenn Ihr geistiges Ahnungsvermögen vielleicht eenmal in eener philosophischen Attitüde schteckenbleiben sollte, so wenden Sie sich nur getrost an mich; ich werde Ihnen mit Vergnügen beischpringen und Sie sofort von der niederträchtigen Philomele befreien.“
„Philomele? Wieso?“
„Wissen Sie nich, was Philomele is?“
„O doch. Es ist der dichterische Name für die Nachtigall.“
„Nachtigall? Sind Sie denn bei Trost! Was hat denn die Nachtigall mit der Hölle zu tun? Philomele war der Höllenhund, welchen der Zerberus zwischen seinen Beenen totgedrückt hat.“
„Ach so!“ meinte Fred, welcher sich anstrengen mußte, sein Lachen zu verbeißen. „Und wer war dann der Zerberus?“
„Das wissen Sie ooch nich? Nun, da können Sie von mir freilich gewaltig profitieren. Der Zerberus war eener von den beeden Dioskuren, welche die Schutzpockenimpfung erfunden haben. Der andere Dioskur war derjenige, welcher nach der Schlacht an der Alma sagte: ‚Jedem ein Ei, aber dem braven Silbermann zwei, denn er hat die Ziehharmonika erfunden!‘ Solche Oogenblicke aus der vergangenen Weltgeschichte – – –“
„Sie meinen wohl nicht die Ziehharmonika“, fiel Fred ein. „Silbermann war ein Orgelbauer, welcher in Frauenstein in Sachsen geboren wurde.“
„Ganz richtig, ganz richtig! Aber eben weil er Orgelbauer war, is es ihm so leicht geworden, die Ziehharmonika zu erfinden. Er hat die erschte zu Napoleon gebracht, um sie ihm zu schenken; der aber hat ihn mit derselben schtolz wie een dummer Schpanier abgewiesen. Schpäter aber mußte er es bitter bereuen. Er wurde in der Völkerschlacht bei Cannä gefangen und von den Engländern nach der Felseninsel St. Helena geschafft. Unterwegs sagte er zum alten Derfflinger, der ihm alleene treu geblieben war: ‚Als ich Silbermann mit seiner Ziehharmonika aus Kalkutta wies, habe ich meine Kaiserkrone weggeworfen.‘“
Jetzt konnte sich Fred nicht länger halten. Er brach in ein schallendes Gelächter aus, und Helmers fiel herzlich in dasselbe ein.
„Was gibt es denn zu lachen?“ fragte Hobble-Frank, halb erstaunt und halb zornig.
„Sie sind ja der reine Konfusionsrat!“ antwortete Fred.
„O bitte sehr! Es heeßt Kommissionsrat. Aberst der bin ich nich. Ich mache überhaupt nie eenen Anspruch auf Titulaturen, die mir nich gehören.“
„Das meine ich nicht. Ich wollte nur sagen, daß Sie die entgegengesetztesten Daten und Personen der Weltgeschichte miteinander verwechseln.“
„Was? Ich? Wie? Verwechseln? Wieso denn? Wollen Sie die Gewogenheet haben, mir das zu beweisen?“
„Sehr gern. Fulton, der Schöpfer der heutigen Dampfschiffahrt, hatte Napoleon seine Erfindung angeboten, war aber von demselben nicht berücksichtigt worden. Darum sagte später der Kaiser, als er dieses Fehlers gedachte: ‚Als ich Fulton aus den Tuilerien wies, habe ich meine Kaiserkrone weggeworfen.‘ Silbermann aber hat gar nicht zur damaligen Zeit gelebt.“
„So! Ach so! Meenen Sie! Wie schön Sie sich das zurechtgelegt haben! Aber mir, dem Hobble-Frank, dürfen Sie mit solchem Krimskrams nich kommen. Ich habe meine Weltgeschichte fest im Sacke! Nich mal mit eenem halben Ooge darf sie mir herausgucken. Es ist ganz unmöglich, daß ich mich irren kann. Das mögen Sie sich für alle Zukunft merken, wenn wir wirklich gute Freunde werden wollen. Eene Blamage dulde ich nich, denn das geht mir gegen den Strich. Ich weeß ganz genau, daß die Weltgeschichte das Allerhöchste is, was die Menschheit zu leisten vermag, und schtimme dem alten Solon bei, der die Chladnischen Klangfiguren entdeckt hat und noch schterbend ausrief: ‚Die Weltgeschichte is das Oberappellationsgericht mit drei Advokaten.‘ Darum habe ich mich mit dem eisernsten Fleiß grad off die Weltgeschichte gelegt. Ich habe den Leuniß gelesen und den Robinson, Pierers Konversationslexikon und den Kladderadatsch, Sohrs Atlas und den alten Schäfer Thomas. Off diese Weise bin ich erscht mit Verschtand so langsam um die Weltgeschichte herumgegangen und habe mich nachher so sukzessive hineingeschlichen, bis ich endlich grad im Mittelpunkt steckenblieb. Ihr aber wollt mit allen Beenen zugleich und off eenmal hineinschpringen und bleibt infolgedessen schon am Rande
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