11 - Die Helden des Westens
über Kunst und Wissenschaft zu reden, nochmals zu Gehör, aber Old Shatterhand antwortete ihm:
„Ich glaube, wir können unsere Zeit auf eine heilsamere Weise benutzen. Wir haben in der vergangenen Nacht nicht geschlafen. Legt euch alle aufs Ohr und versucht, ein Nickerchen zu halten. Ich werde wachen.“
„Sie? Warum denn grad Sie? Sie haben doch ebensowenig wie wir sich in Mosjeh Orpheus' seinen Armen gewiegt.“
„Morpheus heißt es!“ verbesserte Jemmy.
„Kommen Sie mir schon wieder so! Warum verdefendiert mich denn keen anderer nich, als nur immer Sie alleene! Was Sie nur mit Ihrem Morpheus wollen. Ich weeß es ganz genau, wie es heeßen muß. Ich war ja Mitglied vom Gesangverein, der Orpheus hieß. Wenn man sich da mal so richtig ausgesungen hatte, besonders wenn nich viele Pausen bei den Noten waren, da schlief sich's hinterher ganz wunderbar. So een Gesangverein is das beste Mittel gegen schlaflose Nachtgedanken, und darum muß es eben Orpheus heeßen.“
„Gut, lassen wir's dabei!“ lachte der Dicke, indem er sich lang ins Moos streckte. „Ich will lieber schlafen, als mit Ihnen solche gelehrte Nüsse aufknacken.“
„Dazu fehlen Ihnen eben die Haare off den Zähnen. Wer nichts gelernt hat, der kann ooch nichts. Schlafen Sie also immer fort; die Weltgeschichte erleidet keene Einbuße dabei.“
Und als er nun keinen anderen fand, den er von seiner geistigen Überlegenheit überzeugen konnte, machte er es sich auch bequem und versuchte, ein Schlummerchen zu tun. Von Old Shatterhand aufgefordert, folgten die Schoschonen diesem Beispiel, und bald schliefen alle außer dem Anführer. Sogar die Pferde legten sich oder ließen müde die Köpfe hängen. Das hatte nicht das Aussehen, als ob nach wenigen Stunden sich hier eine blutige Szene abspielen könne.
Old Shatterhand stieg von der Höhe hinab, durchschritt langsam den Cañon und blickte sich jenseits desselben forschend um. Er lächelte befriedigt, denn es war hier keine Spur zu bemerken, welche angedeutet hätte, wo Tokvi-tey sich mit seinen Leuten befand. Der Schoschone hatte also seine Maßregeln sehr gut getroffen.
Nun kehrte er wieder zurück und setzte sich am Ausgang der Schlucht auf einen Stein. Mit auf die Brust gesenktem Kopf saß er stundenlang unbeweglich da. Woran dachte der berühmte Jäger? Vielleicht ließ er die Tage seines vielbewegten Lebens wie ein hochinteressantes Panorama an sich vorüberziehen.
Da ließ sich der Hufschlag eines Pferdes vernehmen. Old Shatterhand stand auf und lauschte um die Ecke des Felsens. Martin Baumann kam geritten; da konnte Shatterhand sich zeigen.
„Ist Winnetou auch da?“ fragte er.
„Ja. Er wurde von Tokvi-tey angerufen und ist bei ihm geblieben, da Sie es so gewünscht haben. Auch ich soll zu ihnen zurückkehren.“
„Das ist mir recht. Der Apache scheint Ihnen sein Wohlwollen zu widmen. Nehmen Sie das in acht junger Freund! Es gibt keinen zweiten, der Ihnen hier im Westen so zu nützen vermag wie der Häuptling, dem auch ich so viel verdanke. Sie haben die Upsarokas gesehen. Wie viele waren es?“
„Sechzehn und zwei ledige Pferde.“
„So habe ich also ganz richtig kalkuliert. Die beiden Pferde haben den Toten gehört.“
„Zwei ritten eine ziemlich weite Strecke als Kundschafter voran. Man sah, daß sie sich genau nach unserer Fährte richteten.“
„Gut, sie werden bald diejenigen kennenlernen, von denen diese Fährte zurückgelassen wurde.“
„Wir hielten uns unter Bäumen gut versteckt und ließen sie verhältnismäßig weit herankommen. Dann ritten wir im Galopp, um einen großen Vorsprung zu erlangen. Vorher aber konnten wir noch bemerken, daß sich ein besonders riesiger Kerl bei der Truppe befand. Er schien der Anführer zu sein, denn er ritt den anderen um einige Pferdelängen voran.“
„Konnten Sie die Art der Bewaffnung erkennen?“
„Sie hatten alle Gewehre.“
„So ist es gut. Jetzt werden Sie meine Botschaft an Winnetou genau ausrichten. Im Cañon hier haben nur drei Pferde nebeneinander Platz, ich bitte also den Apachen, vom Gebrauch der Pferde abzusehen. Sobald die Feinde in dem Cañon verschwunden sind, mag er ihnen schnell zu Fuß folgen.“
„Sind sie uns da nicht überlegen?“
„Nein, sondern wir im Gegenteil ihnen.“
„Aber sie reiten uns leicht nieder!“
„Haben Sie sich auch bereits mit taktischen Gedanken getragen? Während die Upsarokas nur drei Pferde breit reiten können, ist es uns, wenn wir zu Fuße sind, möglich, fünf
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