11 Love Storys von Anhaltern und anderen Unwaegbarkeiten
wohl, dass ich jede einzelne Begebenheit, die sich in meinem jämmerlichen Leben zuträgt, irgendwann noch einmal durchkauen muss, wie ein Wiederkäuer sein…ich schweife ab.
Ich stelle mir nun vor, ich liege bei meinem Therapeuten auf der Couch und er fragt, wie mein gestriger Tag war. Was würde ich antworten?
Kommen wir erst mal zu den blanken Tatsachen. Gestern, an einem verschissenen Montag, kam ich nach der Arbeit nach Hause und fand meinen langjährigen Partner Daniel beim Packen seiner Koffer. Auf die Frage hin, was das denn werden solle, antwortete der mit: „Wonach sieht es denn aus?“
Ich hasse diese Suggestivfragen.
„Du verlässt mich also?“
„Ja.“
„Okay, warum?“
„Hab nen anderen.“
„Aha.“
Unsere Gespräche verliefen schon lange derart einsilbig. Sollte ich ihn fragen, wer der andere ist? Wozu? Ändern würde ich nichts mehr und – ehrlich gesagt – war ich fast erleichtert, dass Daniel diesen Schritt von sich aus machte. Ich bin eher der Typ ‚verharre in einer Situation, bis diese eskaliert‘, anstatt mich zu bewegen. Okay, nun war sie eskaliert, und ich konnte wenigstens den Part des Verlassenen übernehmen, eine relativ dankbare Rolle.
„Ich geh dann jetzt“, gab Daniel von sich und schleppte einen Koffer und eine Tasche zu Tür.
„Mach doch, wirst schon sehen, was du davon hast“, erwiderte ich angepisst.
„Es ist besser so“, meinte mein neuer Exfreund und verschwand im Treppenhaus.
Ich hörte seine verklingenden Schritte auf den Stufen, starrte an mir runter und entdeckte, dass ich mir heute Morgen Klamotten von ihm geliehen hatte, wie so oft. Wir waren gleich groß, und er hatte eben den besseren Geschmack. Angewidert riss ich mir das Hemd vom Leib, lief ins Wohnzimmer, das auf die Straße hinausging, und riss dort das Fenster weit auf.
„He, nimm alles mit“, schrie ich nach unten und warf erst das Hemd, dann die Hose und schließlich auch noch die Unterwäsche hinterher.
Der Anblick der zu Boden segelnden Klamotten, inklusive Daniels entsetztem Gesichtsausdruck, war allein die Aktion wert. Die Schuhe gehörten leider mir, ich hätte sie nur zu gern hinterhergeschickt. Zufrieden seufzend schloss ich das Fenster, streifte Slipper und Socken ab und streckte mich wohlig. Im gleichen Moment läutete es an meiner Wohnungstür.
In der Annahme, dass mein Ex mich zur Rede stellen wollte, lief ich hin und riss sie mit grimmiger Miene auf. Das Bürschchen, das mir wie ein Schild ein Schriftstück mit dem unseligen Namen ‚Der Wachturm‘ entgegenstreckte, lief knallrot an und öffnete den Mund, ohne das ein Wort herauskam. In Ermangelung anderer Möglichkeiten entriss ich ihm die Zeitschrift und hielt sie vor mein Geschlechtsteil. Gut, ich hätte die Tür schließen können, aber ehrlich gesagt war ich in einem Ausnahmezustand, der ungewöhnliche Aktionen rechtfertigt.
Bürschi, der mir mit seinen blonden Locken und blauen Augen wie ein Engel erschien, schluckte, klappte den Mund zu und verlegte sich aufs Gaffen. Man kennt das: wird man ungeniert angeglotzt, glotzt man provozierend zurück, bis der andere den Blick senkt. In diesem Fall passierte das nicht.
Mein ungebetener Besucher stand und stierte, bis mir eine Gänsehaut wuchs, die dem kalten Luftzug zuzuschreiben war, der aus dem Treppenhaus wehte. Schließlich übernahm ich die Initiative.
„Willst du mich nicht fragen, ob ich an Gott glaube?“
„Ja. Nein. Äh“, stotterte der Engel, wobei seine Lider zu flattern begannen.
„Also: ich glaube nicht an Gott. Und weißt du warum? Weil es mir beschissen geht und er jetzt für mich da sein sollte.“
„Oh. Ja. Beschissen?“
„Genau. Frisch verlassen, ohne Kleidung und jetzt auch noch du mit deiner Sekte.“
„Sekte? Her mit meiner Zeitschrift“, grollte Bürschchen, schnappte nach dem Pamphlet und es entspann sich ein Handgemenge, an dessen Ende er mein Glied und ich seine Zeitung in den Fingern hielt.
„Oh“, machte mein Gast.
„Äh, das ist…“, gab ich zu Bedenken, aber der Bursche schien Feuer gefangen zu haben, denn er ließ nicht los und drängelte sich jetzt einfach in meine Wohnung.
„Also, sorry, aber das geht mir wirklich zu schnell“, fing ich wieder an, doch der Engel schob die Tür ins Schloss, lächelte mich an und unten…unten passierten ganz aufregende Dinge.
Lange Rede, kurzer Sinn: wenige Minuten später war auch er seine Kleidung los und wir befanden uns auf dem Weg in mein Schlafzimmer. In diesem Burschen
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