11 Love Storys von Anhaltern und anderen Unwaegbarkeiten
schlummerte ein Vulkan, der sich unversehens entzündet haben muss. Ich raubte ihm seine Unschuld und er mir den letzten Glauben an seine Gemeinschaft, als er mir hinterher beichtete, dass er nun ein Ausgestoßener sei.
Damit hatten wir ja was gemein, oder? Ich war schließlich verlassen worden, und das ist doch ähnlich. Na ja, es ist anders, aber allein sind wir beide und was liegt da näher, als sich zusammenzutun? Adamo – so heißt mein Gast – begab sich später in die Küche und zauberte uns ein Essen, das gar nicht übel war. Wir begossen das Mahl mit ein paar Wodkas, nahmen die Flasche mit ins Bett und…
Genau, da wären wir wieder. Neben mir liegt ein blonder Engel, der nicht zurück will in seine Gemeinschaft. Mir gefällt der Gedanke, denn er passt gut hierher. Die hellblaue Bettwäsche kongruiert mit seiner Haarfarbe, und seine Seele mit meiner. Außerdem mag er mich, so, wie er mich jetzt verträumt anschaut.
Sollte ich also zu diesem Zeitpunkt auf der Couch liegen, und mein Therapeut stellt die Frage, wie eingangs erwähnt, ich würde antworten: wundervoll. Ich habe etwas verloren, was schon lange keine Bedeutung mehr hatte. Dafür habe ich etwas gefunden, das mich selig macht und gleichzeitig einem Menschen geholfen, seine Beschränkungen abzustreifen und nach seinem freien Willen zu leben. So ist gestern der erste neue Tag eines Lebens für Adamo und mich angebrochen.
Ja-ja. Der Therapeut würde das alles hinterfragen und bis in die kleinste Faser auseinandernehmen. Wieso – zum Beispiel – der Kampf um die Zeitung so ausging und nicht anders. Ob ich dem nicht nachgeholfen und dem armen Kerl absichtlich mein bestes Stück…
Aber – wer will das wissen? Das Ergebnis zählt, und das wohnt jetzt schon über ein Jahr bei mir. Die Bettwäsche mussten wir wechseln, aber Adamos Haarfarbe macht sich auch gut zu weiß. Ich bin da nicht so. Überhaupt bin ich ein ganz anderer Mensch geworden…
Nachsatz:
Auszug aus Wikipedia zu Jehovas Zeugen, Ehe und Familie:
Vorehelicher Geschlechtsverkehr, Polygamie, das Zusammenleben ohne Trauschein und die Ausübung von homosexuellen Handlungen gelten als Sünden und können zum Gemeinschaftsentzug führen.
Trotz meines leichtfertigen Tonfalls möchte ich auf die mittelalterliche Einstellung dieser Glaubensgemeinschaft bezüglicher gleichgeschlechtlicher Beziehungen hinweisen. Weiterer Worte bedarf es nicht.
ENDE
Der Anhalter 5
Ich fahre nach Hause, wie jeden Werktag, und diesmal breche ich eine Regel: nie einen Anhalter mitzunehmen. Alexander will nach Sülfeld, ins 'Auenland', einen Laden, der schon vor langer Zeit zugemacht hatte.
Ist er verwirrt oder ein Zeitreisender? Ich fahre mit ihm und finde es heraus.
+++++
Ich sehe ihn schon stehen, als ich in Richtung Hamburg fahre und auch auf der Rückfahrt steht er noch da. Der kleine Kerl mit dem Pappschild ‚Sülfeld‘ in der Hand. Es regnet inzwischen, und obwohl ich niemals Anhalter mitnehme habe ich Mitleid, bremse und halte an. Ich stoße die Beifahrertür auf und er kommt schnell angelaufen.
„Sülfeld?“, fragt er atemlos.
Ich nicke und der Kerl schiebt sich auf den Beifahrersitz.
„Danke“, sagt er und strahlt dabei wie ein Schneekönig.
„Ist okay“, brumme ich und überlege, was dieser Mann in Sülfeld will, einem Ort, an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.
Früher, als ich jung war, gab es da einen Laden mit Namen ‚Auenland‘, inspiriert von J.R. Tolkiens ‚Herr der Ringe. An den Wänden waren entsprechende Malereien von Elfen und Orks und das Ganze wurde betrieben von ein paar Freaks, die mit den von ihnen engagierten Bands und dem niedrigen Eintrittspreis viele Hamburger am Wochenende dorthin zogen. Doch das ist über zehn Jahre her.
Zehn Jahre, in denen ich zu dem Establishment geworden bin, gegen das ich damals – schon aus Modegründen – aufbegehrt habe. Lange Haare, bunte Klamotten. Der Palästinenserfeudel – ein must have der frühen Achtziger. Jesuslatschen, indische Klamotten. Wow, es war eine schöne Zeit. Auch das ‚Auenland‘ habe ich in guter Erinnerung. Die Leute waren sich irgendwie einig und haben friedlich einen Abend gefeiert, bis es kurz nach Mitternacht hieß, wieder nach Hause zu gelangen. Wie oft habe ich am Ausgang gelauert und jeden Kerl…
„Ich bin Alex“, sagt mein Beifahrer und dem ungeduldigen Ton nach, nicht das erste Mal.
„Tschuldige, ich bin Markus“, erwidere ich und lächle ihm kurz zu.
Alex erinnert mich an diese
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