11 - Nie sollst Du vergessen
Grabe herumdrehen.«
Constable Winston Nkata wusste augenblicklich, dass die Frau Katja Wolff war, noch ehe sie überhaupt ein Wort gesprochen hatte. Aber hätte man ihn gefragt, woher er die Gewissheit nahm, so hätte er es nicht sagen können. Sicher, sie hatte den Schlüssel zur Wohnung, und von ihrer Bewährungshelferin, die er auf Inspector Lynleys Anordnung hin aufgesucht hatte, wusste er, dass sie in dieser Wohnung im Doddington Grove Estate gemeldet war. Aber das war es nicht allein, was ihn so sicher machte. Es war ihre Haltung, die Haltung einer Frau, die ständig vor unerfreulichen Begegnungen auf der Hut ist, und es war ihr Gesichtsausdruck, so verschlossen und nichts sagend, wie alle ihn zur Schau trugen, die im Gefängnis nicht auffallen wollten.
Sie blieb an der Tür stehen. Ihr Blick flog von Yasmin Edwards zu Nkata und wieder zurück zu Yasmin. »Störe ich, Yas?« Ihre Stimme war rauchig, und von dem deutschen Akzent, den Nkata erwartet hatte, war nur ein leiser Anklang zu hören. Aber sie lebte ja mittlerweile länger als zwanzig Jahre in England und hatte keinen Umgang mit deutschen Landsleuten gehabt.
»Das ist Constable Nkata von der Polizei«, sagte Yasmin, und augenblicklich war Katja Wolff in Alarmbereitschaft: ein plötzliches gespanntes Aufmerken, so subtil, dass jemand, der nicht wie Winston Nkata selbst am Rand der Legalität gelebt hatte, es wahrscheinlich nicht wahrgenommen hätte.
Katja Wolff zog ihren kirschroten Mantel aus und nahm die graue Mütze mit dem passenden knallroten Streifen ab. Unter dem Mantel trug sie einen himmelblauen Pulli, der wie Kaschmir aussah, aber so abgetragen war, dass er an den Ellbogen papierdünn war, und dazu eine graue lange Hose aus irgendeinem glatten Material, das glitzerte, wenn sie sich im Licht bewegte.
»Wo ist Dan?«, fragte sie Yasmin.
Yasmin wies zum Badezimmer. »Er wäscht die Perücken.«
»Und der Typ?«, fragte sie mit einem Blick zu Nkata.
Nkata nutzte den Moment, um das Kommando zu übernehmen. »Sie sind Katja Wolff?«
Ohne ihm zu antworten, ging sie zum Badezimmer, um Yasmin Edwards' Sohn zu begrüßen, der bis zu den Ellbogen in Seifenschaum steckte. Der Junge schaute sie über die Schulter an. Er sah ins Wohnzimmer hinüber und schaffte es, einen Moment lang Nkatas Blick einzufangen. Aber er sagte nichts. Katja Wolff machte die Badezimmertür zu und ging zu der alten Couchgarnitur, wo sie sich auf das Sofa setzte und aus einer Packung Dunhill, die auf dem Couchtisch lag, eine Zigarette nahm. Nachdem sie diese angezündet hatte, griff sie zur Fernbedienung des Fernsehers. Aber noch bevor sie das Gerät einschalten konnte, rief Yasmin sie leise beim Namen - nicht bittend, wie Nkata schien, sondern eher warnend.
Er verspürte ein plötzliches Bedürfnis, sich Yasmin Edwards genauer anzusehen; er wollte sie gern verstehen - ihre Situation hier in Kensington, die Beziehung zu ihrem Sohn, das Verhältnis zwischen ihr und der anderen Frau. Dass sie schön war, hatte er bereits wahrgenommen. Aber er verstand ihren Zorn nicht und auch nicht die Angst, die sie so krampfhaft zu verbergen suchte. Er hätte gern gesagt, dass sie keine Angst haben müsse, aber das wäre natürlich absurd gewesen.
Er wandte sich Katja Wolff zu. »In der Wäscherei oben in der Kensington High Street wurde mir gesagt, dass Sie heute nicht zur Arbeit gekommen sind.«
»Mir war heute Morgen nicht gut«, erklärte sie. »Den ganzen Tag nicht. Ich war gerade in der Apotheke. Das verstößt ja wohl nicht gegen das Gesetz.« Sie zog an ihrer Zigarette, während sie ihn schweigend musterte.
Nkata fing Yasmins Blick auf, der zwischen ihm und ihrer Freundin hin und her flog. Sie hielt die Hände vor ihrem Körper gefaltet, genau auf der Höhe ihres Geschlechts, als wollte sie es verdecken.
»Sie sind mit dem Auto zur Apotheke gefahren?«, fragte er Katja Wolff.
»Ja, und?«
»Sie haben ein eigenes Auto?«
»Wieso interessiert Sie das?«, fragte Katja Wolff. »Sind Sie hergekommen, um mich zu bitten, Sie irgendwohin zu fahren?« Ihr Englisch war perfekt, so beeindruckend wie die Frau selbst.
»Haben Sie ein Auto, Miss Wolff?«, wiederholte er geduldig.
»Nein. Sie stellen bedingt Entlassenen keine fahrbaren Untersätze zur Verfügung, was ich persönlich schade finde, besonders für diejenigen, die wegen bewaffneten Raubüberfalls sitzen. Zu wissen, dass man in Zukunft zu Fuß vom Tatort abhauen muss, das muss doch ziemlich niederschmetternd sein. Für
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