11 - Nie sollst Du vergessen
sie zu Lynley gewandt hinzu: »Und ich bin auch nicht dumm. Es gab da einen anderen, und Teddy wusste nichts davon. Er weiß es immer noch nicht, der Arme.«
»Einen anderen?«
»Manche Leute würden vielleicht behaupten, dass Eugenie innerlich unablässig mit irgendetwas beschäftigt war und dass dies verhinderte, dass sie Teddy näher kam. Ich würde sagen, dass sie mit einer Person beschäftigt war und es noch nicht über sich gebracht hatte, dem armen Teddy reinen Wein einzuschenken.«
»Sie haben sie mit jemandem gesehen?«, fragte Lynley.
»Das war gar nicht nötig«, antwortete Georgia Ramsbottom.
»Ich habe gesehen, was sie tat, wenn sie hier war. Ich weiß von den Telefonaten, die sie hinter verschlossener Tür geführt hat, und ich weiß auch von den Tagen, an denen sie schon um halb zwölf gegangen ist und nicht wiederkam. An solchen Tagen ist sie mit dem Auto in den Klub gekommen, Inspector, obwohl sie sonst immer von der Friday Street zu Fuß herübergegangen ist. Und sie ist nie an den Tagen gefahren, an denen sie ehrenamtlich im Quiet Pines-Pflegeheim gearbeitet hat. Das war immer montags und mittwochs.«
»Und an welchen Tagen ist sie früher gegangen?«
»Donnerstag und Freitag. Einmal im Monat. Manchmal auch zweimal. Was würden Sie daraus schließen, Inspector? Meiner Ansicht nach stecken da heimliche Rendezvous dahinter.«
Es konnte, sagte sich Lynley, alles Mögliche dahinter stecken, vom Arztbesuch bis zum Friseurtermin. Aber wenn auch Georgia Ramsbottoms Enthüllungen von ihrer offenkundigen Abneigung gegen Eugenie Davies beeinflusst waren, ließ sich nicht ignorieren, dass sie zu den Eintragungen passten, die sie im Tagebuch der Toten gefunden hatten.
Nachdem Lynley ihr für ihre Hilfsbereitschaft gedankt hatte, schickte er sie zu ihren Ausschusskollegen zurück und bat sie, ihm die anderen anwesenden Klubmitglieder hereinzuschicken, einzeln, zur Begutachtung des Fotos von Katja Wolff. Sie wünschten alle zu helfen, das war deutlich spürbar, aber keiner konnte bezeugen, Katja Wolff irgendwo in der Nähe des Klubs gesehen zu haben.
Auf dem Rückweg zur Friday Street, wo Lynley seinen Wagen vor dem Häuschen von Eugenie Davies abgestellt hatte, sagte Barbara: »Zufrieden, Inspector?«
»Womit?«
»Na, was die Wolff-Theorie angeht.«
»Nicht ganz.«
»Aber Sie werden sie doch nicht immer noch als Mörderin führen? Ich meine, nach allem, was wir da eben gehört haben.«
Sie wies mit dem Daumen zurück in Richtung des Sixty Plus Club.
»Angenommen, Katja Wolff hätte Eugenie Davies überfahren, dann hätte sie doch erst mal wissen müssen, wohin sie an dem fraglichen Abend überhaupt wollte. Oder sie hätte ihr von hier aus nach London folgen müssen. Oder sehen Sie das anders?«
»Nein, nein, das ist schon richtig.«
»Sie hätte auf jeden Fall irgendwie mit Eugenie Davies Kontakt aufnehmen müssen, nachdem sie aus dem Gefängnis entlassen worden war. Kann ja sein, dass wir bei der Durchsicht der Telefonunterlagen eine freudige Überraschung erleben und feststellen werden, dass Eugenie Davies und Katja Wolff in den letzten zwölf Wochen aus Gründen, die absolut im Dunkeln liegen, endlose Telefongespräche miteinander geführt haben. Aber wenn uns diese Unterlagen nichts dergleichen bringen, dann bleibt nur die Möglichkeit, dass jemand ihr von hier aus nach London gefolgt ist. Und Sie wissen ja wohl so gut wie ich, welcher Jemand das mit Leichtigkeit hätte bewerkstelligen können, oder?« Sie wies auf die Tür der Buchhandlung, von der das Bin-gleich-zurück-Schild inzwischen entfernt worden war.
»Sehen wir mal, was Major Wiley uns zu sagen hat«, meinte Lynley und öffnete die Tür.
Ted Wiley war damit beschäftigt, einen Karton voll neuer Bücher auszupacken und diese auf einem Tisch auszulegen, auf dem ein von Hand beschriftetes Schild »Neuerscheinungen« ankündigte. Er war nicht allein im Laden. Hinten saß in einem bequemen Sessel eine Frau mit einem Paisleykopftuch, die genüsslich Tee aus einer Thermosflasche trank und dazu in einem Buch las, das sie aufgeschlagen auf den Knien liegen hatte.
»Ich habe Ihren Wagen gesehen, als ich zurückkam«, bemerkte Wiley, während er drei Bücher aus dem Karton hob und jedes mit einem Tuch abstaubte, bevor er es auf den Tisch legte. »Und - was haben Sie bis jetzt herausgefunden?«
Interessant, die Fähigkeit dieses Mannes, zu kommandieren und zu fordern, dachte Lynley. Er schien anzunehmen, die Londoner Beamten wären nur
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