11 - Nie sollst Du vergessen
schrecklichen Georgia Ramsbottom auszumachen, deren laute Stimme sogar den romantischen Gesang Fred Astaires übertönte, der - auf dem Bildschirm eines Fernsehgeräts, das in einem Alkoven mit unbequemen Sesseln stand - gerade check to check mit Ginger Rogers tanzte.
»Es wäre doch viel vernünftiger, intern einen Nachfolger zu suchen«, sagte Georgia Ramsbottom gerade. »Wir sollten es wenigstens versuchen, Patrick. Wenn jemand von uns bereit ist, jetzt, nach Eugenies Tod, die Klubleitung zu übernehmen -«
Die andere Frau fiel ihr in mühsam gedämpftem Ton ins Wort, aber Georgia Ramsbottom konterte sofort. »Also, das finde ich wirklich beleidigend, Margery. Jemand muss sich schließlich um die Interessen des Klubs kümmern. Ich schlage vor, wir stellen fürs Erste unsere persönlichen Gefühle zurück und befassen uns mit der Frage der Nachfolge. Wenn wir nicht gleich heute eine Lösung finden, dann doch hoffentlich, bevor sich noch mehr Anfragen« - dabei wies sie auf ein Bündel gelber Zettel, auf denen die Anfragen offenbar vermerkt waren - »und unbezahlte Rechnungen anhäufen.«
Ihren Worten folgte allgemeines Gemurmel, das ebenso gut Zustimmung wie Ablehnung ausdrücken konnte, was genau, wurde nicht klar, da Georgia Ramsbottom in diesem Moment Lynley und Barbara Havers entdeckte, sich bei den anderen Diskussionsteilnehmern entschuldigte, und zu den beiden Kriminalbeamten eilte. Der Leitungsausschuss des Sixty Plus Club befinde sich soeben in einer Besprechung, erklärte sie in einem Ton, als hätte der Ausschuss Entscheidungen von nationaler Tragweite zu treffen. Der Klub könne nicht noch länger führungslos bleiben, auch wenn es sich leider als ausgesprochen schwierig erweise, den anderen Mitgliedern klar zu machen, dass eine »angemessene Trauerzeit« zum Gedenken an Eugenie Davies kein Grund sei, die Entscheidung über einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin unnötig hinauszuschieben.
»Wir werden Sie nicht lange aufhalten«, sagte Lynley. »Wir möchten nur kurz mit jedem Einzelnen hier sprechen. Unter vier Augen. Wenn Sie so freundlich wären, das zu arrangieren ...«
»Inspector«, entgegnete Georgia mit genau dem richtigen Maß an Entrüstung in der Stimme, »die Mitglieder des Sixty Plus Club von Henley sind anständige und redliche Leute. Wenn Sie hierher gekommen sind, weil Sie glauben, dass einer von Ihnen etwas mit Eugenies Tod zu tun hat -«
»Ich glaube gar nichts«, unterbrach Lynley besänftigend. Ihm war nicht entgangen, dass Georgia Ramsbottom von den Klubmitgliedern gesprochen hatte, als zählte sie selbst nicht zu ihnen, darum sagte er betont liebenswürdig: »Vielleicht können wir gleich mit Ihnen anfangen, Mrs. Ramsbottom. In Mrs. Davies' Büro ...?«
Die Blicke der anderen folgten ihnen, als sie, Georgia Ramsbottom ihnen vorauseilend, zum Büro gingen. Es war heute nicht abgeschlossen, und als sie eintraten, fiel Lynley sofort auf, dass alles, was irgendwie an Eugenie Davies hätte erinnern können, bereits in einem Karton verstaut war, der einsam auf dem Schreibtisch stand. Er fragte sich flüchtig, was die schreckliche Mrs. Ramsbottom als »angemessene Trauerzeit« für die verstorbene Klubleiterin betrachtete.
Nachdem Barbara Havers die Tür geschlossen und sich mit ihrem Heft in der Hand daneben hingestellt hatte, vergeudete er keine Zeit mit belangsloser Konversation, sondern nahm sogleich hinter dem Schreibtisch Platz, wies Georgia Ramsbottom den Besuchersessel davor zu und zog die Fotografie von Katja Wolff heraus. Ob Mrs. Ramsbottom irgendwann in den Wochen vor Mrs. Davies' Tod diese Frau gesehen habe, fragte er, entweder in der Umgebung des Sixty Plus Club oder sonst irgendwo in Henley.
Beim Anblick des Fotos hauchte Georgia ehrfürchtig wie eine Agatha-Christie-Heldin: »Die Mörderin ...?« Sie war plötzlich die Hilfsbereitschaft in Person, vielleicht verwandelt durch die Erkenntnis, dass die Polizei den Mörder nicht in den Reihen der Klubmitglieder suchte. Hastig fügte sie hinzu: »Ich weiß, dass sie mit Vorsatz getötet wurde, Inspector, und nicht einfach das Opfer eines verantwortungslosen Autofahrers war, der nach dem Unfall geflüchtet ist. Teddy, der arme Gute, hat es mir erzählt, als ich ihn gestern Abend angerufen habe.«
Teddy, der arme Gute, wiederholte Barbara lautlos und verdrehte die Augen, während sie eifrig in ihr Heft kritzelte. Georgia, die das Geräusch des Bleistifts auf dem Papier hörte, drehte sich neugierig zu ihr um.
Lynley
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