11 - Nie sollst Du vergessen
endlich an. Wir müssen darüber reden.«
»Wozu denn?«
»Weil alle Träume der Wirklichkeit näher kommen, wenn man über sie spricht. Und wenn sie der Wirklichkeit näher sind, ist die Chance größer, dass sie in Erfüllung gehen. Yasmin, mein Gott, mach endlich auf! Der Mann hat uns doch sowieso schon gehört. Er hat offensichtlich vor, so lange zu bleiben, bis du aufmachst.«
Yasmin riss die Tür so heftig auf, dass sie ihr beinahe aus der Hand flog. Daniel verschwand wieder im Bad, und Katja kehrte an den Herd zurück.
Ohne ein Wort des Grußes sagte sie zu Nkata: »Wie sind Sie hier heraufgekommen? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich auf den Türöffner gedrückt hab.«
»Die Tür war offen«, sagte Nkata.
»Was wollen Sie noch von uns, Mann?«
»Nur eine kleine Auskunft. Ist Ihre ...« Er zögerte, und sein Blick flog an ihr vorbei in die Wohnung, wo das Licht aus der Küche in einem gelben Rechteck auf die Teppichfliesen im Wohnzimmer fiel, in dem keine Lampe brannte. »Ist Katja Wolff hier?«
»Es ist halb acht Uhr morgens. Wo sollte sie sonst sein?«, versetzte Yasmin schnippisch, aber der Ausdruck seines Gesichts war ihr nicht geheuer, darum sprach sie hastig weiter. »Wir haben Ihnen alles gesagt, was es zu sagen gibt. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn Sie das alles noch mal durchkauen.«
»Es geht um was anderes«, erklärte er ruhig. »Um was Neues.«
»Mam«, rief Dan aus seinem Zimmer, »wo ist mein Schulpulli? Liegt er noch draußen? Ich kann ihn hier nirgends finden.« Er kam in Unterhose, weißem Hemd und Socken aus seinem Zimmer. Sein Haar war noch feucht von der Dusche.
»Guten Morgen, Daniel«, sagte Nkata und nickte ihm lächelnd zu. »Du machst dich wohl für die Schule fertig?«
»Lassen Sie ihn in Frieden«, fuhr Yasmin ihn an, ehe Daniel etwas antworten konnte. Dann riss sie den gesuchten Pulli von einem der Haken neben der Tür und sagte zu ihrem Sohn: »Geh jetzt endlich frühstücken, Dan. Die Pfannkuchen machen einen Haufen Arbeit. Sieh zu, dass du sie aufisst.«
»Hallo«, sagte Daniel scheu zu dem Polizisten und strahlte den Mann so bewundernd an, dass Yasmin innerlich zitterte vor ohnmächtigem Zorn. »Sie wissen noch, wie ich heiße.«
»Aber natürlich«, sagte Nkata lächelnd. »Ich heiße übrigens Winston. Gehst du gern zur Schule, Daniel?«
»Dan!«, sagte Yasmin so scharf, dass der Junge zusammenfuhr. Sie warf ihm seinen Pullover zu. »Hast du mich gehört? Zieh dich jetzt an und geh frühstücken.«
Daniel nickte. Aber er wandte den Blick nicht von dem schwarzen Polizisten. Vielmehr musterte er ihn mit so viel freimütigem Interesse und solcher Wissbegier, dass Yasmin am liebsten dazwischen getreten wäre und ihren Sohn in die eine und den Bullen in die andere Richtung gestoßen hätte.
Den Blick weiterhin auf den Polizisten gerichtet, ging Dan rückwärts zu seinem Zimmer und sagte: »Mögen Sie Pfannkuchen? Die, die's heute bei uns gibt, sind echt was Besonderes. Sie sind ganz klein. Wir haben bestimmt genug -«
»Daniel!«
»Entschuldige, Mam.« Er lächelte - ein unglaublich strahlendes Lächeln - und verschwand in seinem Zimmer.
Yasmin wandte sich Nkata zu. Sie merkte plötzlich, wie kalt die Luft war, die durch die offene Tür hereinwehte, heimtückisch um ihre nackten Beine und bloßen Füße strich, kitzelnd ihre Knie und ihre Schenkel liebkoste. Fröstelnd stand sie da, unschlüssig, ob sie dem Polizisten einfach die Tür vor der Nase zuschlagen oder ob sie ihn hereinbitten sollte.
Katja nahm ihr die Entscheidung ab. »Lass ihn rein, Yas«, sagte sie leise von der Küchentür her.
Sie trat zurück, der Polizist nickte Katja dankend zu. Yasmin schlug die Tür hinter ihm zu und nahm ihren Straßenmantel vom Garderobenhaken, gürtete ihn so eng wie einst die viktorianischeri Damen ihre Korsetts schnürten, um sich mit Wespentaille präsentieren zu können. Nkata seinerseits knöpfte seinen Wintermantel auf und lockerte den Schal, ein Gast, der zum Essen gekommen war.
»Wir frühstücken gerade«, sagte Katja zu ihm. »Und Daniel muss pünktlich weg, damit er nicht zu spät zur Schule kommt.«
»Also, was wollen Sie?«, fragte Yasmin.
»Ich wollte nur mal nachfragen, ob Sie an der Geschichte, die Sie mir neulich Abend erzählt haben, was ändern wollen.« Er richtete das Wort an Katja.
»Nein«, antwortete Katja. »Da gibt es nichts zu ändern.«
»Vielleicht sollten Sie doch mal darüber nachdenken«, riet er ihr.
Yasmin brauste
Weitere Kostenlose Bücher