1102 - Assungas Blutfalle
müde, abgespannt und auch ängstlich. Falten zeichneten das Gesicht. Die Ränder unter den verweinten Augen waren ebenfalls nicht zu übersehen, und das dunkle Haar war von grauen Strähnen durchzogen.
»Ich weiß in etwa Bescheid, was Ihnen widerfahren ist, Mrs. Ambler, aber würden Sie so freundlich sein und es mir noch einmal erzählen? Vielleicht fällt Ihnen noch etwas ein.«
Sie nickte, trank Tee, dann redete sie, und ich hörte genau zu. Glenda stellte ebenfalls keine Frage.
Es hatte sich für mich nichts Neues ergeben. Was mir die Frau sagte, war mir bereits durch Glenda Perkins bekannt gewesen.
Ich kam danach auf ein Motiv zu sprechen und wollte wissen, ob sie sich schon Gedanken darüber gemacht hatte, wie eine derartige Veränderung überhaupt möglich gewesen sein konnte.
»Nein, das weiß ich auch nicht.«
»Ist Ihnen an Ihrer Tochter nichts aufgefallen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Hat sie sich in der letzten Zeit anders benommen?«
»Nicht daß ich wüßte.«
Ich versuchte es anders. »Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrer Tochter?«
»Gut.«
»Da kann ich bestätigen, John«, sagte Glenda. »Von einem großen Streit habe ich nichts mitbekommen.«
»Wir verstanden uns wirklich, Mr. Sinclair. Natürlich hat es Probleme gegeben, aber das ist bei einer Sechzehnjährigen normal. Cathy will oft ihre eigenen Wege gehen. Sie… sie… gehört auch einer Clique an, in der gemeinsam etwas unternommen wird.«
»Was denn?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Mr. Sinclair. Sie trafen sich am Abend im Park. Man ging ins Kino, in die Disco, zu irgendwelchen Events und so weiter.«
»Wie sah es mit Drogen aus?«
Beinahe vorwurfsvoll schaute sie mich an. »Nein, auf keinen Fall. Wo denken Sie hin?«
»So ungewöhnlich ist das schließlich nicht. Wir haben ein Drogenproblem. Also sie hat keine genommen?«
»Ich denke nicht. Aber merkt man das nicht auch?«
Ich wiegte den Kopf. »Nicht unbedingt. Es kommt darauf an, was sie nimmt. Da gibt es ja diese Designer-Drogen, die vor allen Dingen in den langen Disco-Nächten geschluckt werden.«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen«, erwiderte die Frau matt und schaute Glenda dabei an. »Dir ist doch auch nichts an Cathy aufgefallen. Oder doch?«
»Nein, nichts, was in die Richtung deutet, die John angedeutet hat. Da kommst du wohl nicht weiter, John.«
»Aber etwas muß passiert sein, das sich Cathy so verändern konnte. Wer tötet Katzen und trinkt das Blut? Das deutet schon darauf hin, daß sie auf dem Weg ist, eine Vampirin zu werden.«
Glenda nickte und meinte: »Das habe ich auch befürchtet, als ich von den Dingen hörte.«
»Vampir?« flüsterte Sharon Ambler aufgeregt. »Das kann nicht wahr sein. Es gibt keine Vampire in Wirklichkeit.«
Ich wiegelte ab und wollte sie auch nicht zu stark unter Druck setzen. »Es war nur ein Gedanke, weil Vampire sich ebenfalls von Blut ernähren. In meinem Beruf muß man eben alle Möglichkeiten durchspielen. Aber etwas anderes möchte ich Sie fragen, Mrs. Ambler. Hat Ihre Tochter einen Freund?«
Die Frau sagte erst mal nichts. Sie zerknüllte auch weiterhin das Taschentuch zwischen den Händen und schaute auf den Tisch, der zwischen uns stand. »Meinen Sie einen festen Freund?«
»Ja.«
»Mein Mann war dagegen.«
»Also hat sie einen?«
»Sie brachte mal einen Jungen mit. Eric Rodman. Er sah ziemlich ungewöhnlich aus. Mal kam er mit gelben Haaren, dann wieder mit blauen. Ein wenig verrückt, und Gordon, mein Mann, konnte da auf keinen Fall zustimmen. Er war ziemlich sauer. Ich habe versucht, zu vermitteln, aber das hatte keinen Sinn.«
»Die beiden sind also noch zusammen?« fragte ich.
»Ja, irgendwo schon. Aber nicht so direkt, mehr innerhalb der Clique, verstehen Sie?«
»Ich bemühe mich. Könnten Sie sich vorstellen, daß ihre Tochter zu diesem Eric gegangen ist?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Nicht um diese Zeit. Eric lebt auch bei seinen Eltern. Irgendwie kann ich das nicht glauben.«
Die Lage war ziemlich festgefahren, und das ärgerte mich. Auch Glenda sah nicht eben glücklich aus. Mit gerunzelter Stirn schaute sie mich an und räusperte sich, bevor sie sprach. »Cathy hat im Prinzip ein völlig normales Leben geführt. Um so unverständlicher ist für mich dieses plötzliche Ausflippen. Da muß etwas passiert sein, das bei ihr einen Bruch bewirkt hat.«
Da hatte Glenda recht. Jemand, der völlig normal lebte, sich Katzen als Haustiere hielt, drehte plötzlich durch, tötet die Tiere und trank
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