1107 - Die Mutation
Durch das Dach schimmerte sehr schwach das Mondlicht.
Schatten, wenig Licht. Dunkle Ecken, das leise Summen der Klimaanlage, dann die Stimme der Frau.
»Kommen Sie ruhig näher, Mister. Ich habe Sie schon erwartet!«
»Okay.«
Ich war ruhig geblieben, obwohl ich mich ärgerte. Ich hätte lieber die Initiative ergriffen, so aber mußte ich mich leider fügen. Ich ging auch schneller und sah sie dann direkt vor mir stehen, und zwar dort, wo der Durchgang anfing und die Beete aufhörten. Dort war genügend Platz. Nichts störte mehr. Ich sah eine Bank aus Eisen, einen Tisch daneben, einige Vasen und auch Tröge. Die Ausstattung erinnerte mich an die einer Gärtnerei.
Jana lächelte mich sogar an. Etwa einen Schritt von ihr entfernt blieb ich stehen. Sie war gut gebaut und kleiner als ich. Das Haar hing wirr um ihren Kopf, und die Lippen hatten sie zu einem kalten Lächeln verzogen.
»Ich wußte es. Sie würden nicht aufgeben. Sie sind ein verdammter Schnüffler.«
»Das haben Polizisten so an sich.«
»Ja, ich weiß.«
»Mein Name ist übrigens John Sinclair.«
»Na und?«
»Wie heißen Sie?«
»Jana Cusack.«
»Die Frau?«
»Nein, die Schwester.«
»Aha.«
»Enttäuscht?«
»Überhaupt nicht. Letztendlich spielt es keine Rolle, mit wem ich es zu tun habe.«
»Da haben Sie sogar recht.«
»Wo steckt Ihr Bruder?«
Sie drehte sich und schaute auch in die Höhe, wo tatsächlich eines der Glasfenster offenstand. Es hatte durch eine Hebelstange bewegt werden können. Jetzt wußte ich auch, welchen Weg die Fledermäuse genommen hatten.
»Sehen Sie ihn?«
»Nein, deshalb habe ich Sie gefragt.«
»Er ist weg«, sagte sie und stemmte die Hände in die Hüften. »Und Sie werden ihn auch so schnell nicht sehen.«
»Ist er bei seinen Freunden?«
»Kann sein.«
Sie fühlte sich gut. Sie hielt mich immer auf Distanz. Sie sagte viel und trotzdem nichts.
»Ihr Bruder hat noch jemand mitgebracht, wie ich hören konnte. Zwei Männer, nicht wahr?«
»Nein!«
Ich sah ihr an, daß sie gelogen hatte. Es hatte ihr wohl nicht gefallen, daß es einen Zeugen gab, doch ich ließ mich nicht täuschen. »Hören Sie auf, es abzustreiten. Ich habe selbst die Ladefläche des Autos untersucht und Blutspuren entdeckt. Was ist mit den Männern geschehen? Sind sie tatsächlich tot?«
Jana Cusack breitete die Arme aus. »Sehen Sie die beiden? Oder sehen Sie meinen Bruder?«
»Nein. Doch Sie werden mir helfen, sie zu finden. Diesmal brauche ich keinen Durchsuchungsbefehl, Mrs. Cusack.«
»Ich werde gar nichts tun und Ihnen nur einen Rat geben, Sinclair. Gehen Sie. Sie werden mit dem, was hier bald passiert, nicht zurechtkommen und…«
»Wo ist Ihr Bruder?«
»Fliehen Sie!«
»Nein!«
Jana verdrehte die Augen. »Ich weiß ja, daß Polizisten stur sein können. Daß sie auch lebensmüde sind, hätte ich nicht gedacht. Ich will es nicht auf die Spitze treiben. Vielleicht brauchen Sie Beweise, und die werde ich Ihnen verschaffen.«
»Ich habe die Fledermäuse bereits gesehen.«
»Das glaube ich Ihnen. Ich habe sie freigelassen. Das ist immer so in der Nacht. Sie werden sich ihre Nahrung suchen. Es sind besonders prächtige Exemplare, die hier in der Gegend gar nicht vorkommen. Aber sie fühlen sich wohl. Wir haben ihnen die Umgebung geschaffen. Vampire, Sinclair, es sind wirklich kleine Vampire. Interessant, nicht?«
»Kommen Sie zur Sache.«
»Ja, schon gut. Sie wollten etwas sehen. Gut, ich werde es Ihnen zeigen. Aber damit haben Sie auch Ihre letzte Chance vertan. Es tut mir nicht einmal leid um Sie.« Noch während sie sprach, hatte sie sich gebückt. In dieser Haltung ging sie vor bis zum Beginn der Orchideentische und bückte sich dort.
Sie bewegte sich völlig normal und tat so, als wäre ich gar nicht vorhanden. Beide Hände mußte sie zu Hilfe nehmen, um den Körper unter dem Tisch wegzuziehen.
Ich war näher getreten. Die Arme des Mannes hielt Jana an den Gelenken fest, und sie schleifte den Körper wie einen alten Teppich über den Boden.
»Bitte, Sinclair, schauen Sie!«
Nein, ich bückte mich nicht. Ich holte meine Lampe hervor und richtete den Lichtstrahl auf den bewegungslosen Mann. Mit einem Blick sah ich, daß ihm nicht mehr zu helfen war.
Das war traurig genug. Daß ich mich fühlte wie in einem Eiskeller, lag daran, wie der Mann ums Leben gekommen war.
Man hatte ihn totgebissen!
***
Suko ärgerte sich, daß ihn das Los auf die Verliererstraße gebracht hatte, wie er meinte. Und er konnte sich
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