1107 - Die Mutation
vorstellen, daß John nicht unbedingt auf ihn wartete, sondern wieder versuchen würde, in das Haus oder in eines der Gewächshäuser einzudringen. Das war durchaus möglich.
Er ging mit langen, raumgreifenden Schritten. Suko kannte sich hier aus. Es gab bestimmt eine Abkürzung durch die Gartenanlage, aber dort hätte er sich auch verlaufen können. Irgendwann hörte er das Geräusch eines Motors. Irgendwo hinter ihm klang es auf. Suko nahm sich die Zeit, stehen zu bleiben und sich umzudrehen. Das Licht der tanzenden Scheinwerfer sah er winzig und klein, doch in seine Richtung fuhr das Fahrzeug nicht. Wenn er sich nicht irrte, nahm es Kurs auf das Haus.
Das gefiel ihm nicht. Er überlegte, ob er zurücklaufen sollte und entschied sich dagegen. John würde mit dem Besuch schon allein zurechtkommen.
Die zweite Hälfte der Strecke lief der Inspektor noch schneller. Er war gut in Form. Er kontrollierte seinen Atem und war dann froh, über einen staubigen Feldweg laufen zu können, denn er führte direkt zum Eingangsbereich der Kleingartenanlage, wo der Rover abgestellt war.
Wie eine schwarze, unterschiedlich hohe und tiefe Insel lag das Gelände an Sukos rechter Seite.
Verloren in tiefem Schweigen. Von den beiden Aufpassern sah er nichts.
Als der Umriß des Rovers zu sehen war, lief Suko langsamer. Er war froh, es geschafft zu haben.
Ein Geländewagen stand noch in der Nähe. Wahrscheinlich gehörte er den Wächtern.
Suko schloß die Fahrertür auf und klemmte sich hinters Lenkrad. Durch das schnelle Laufen war er ins Schwitzen geraten. Sein Atem ging trotzdem ruhig.
Er schob den Schlüssel ins Zündschloß, startete den Motor und ließ die Seitenscheibe nach unten fahren, um frische Luft in das Innere zu lassen.
Er wollte starten, als er wie festgenagelt sitzen blieb und auch den Motor wieder abstellte.
Suko hatte etwas gehört! Stimmen!
Starr blieb er sitzen. Angespannt, den Kopf leicht nach links gedreht, zur Gartenanlage hin.
Einen Schrei oder einen Fluch bekam er ebenfalls mit. Und im nächsten Augenblick zerriß ein Schuß die Stille der Nacht.
Suko blickte zum Himmel. Schwarz, auch dunkelblau und mit einem leicht seidigen Schimmer, den das Mondlicht produzierte, malte er sich über ihm ab.
Es war gut, daß der Mond schien, denn so konnte Suko die Schatten sehen, die sich dicht über den Bäumen innerhalb der Gartenanlage bewegten.
Das waren keine Vögel, auch wenn sie im ersten Moment so gewirkt hatten.
Es waren Fledermäuse.
Suko hielt nichts mehr an seinem Platz…
***
Ja, der Mann, dessen Namen ich nicht kannte, war zerbissen worden. Im kalten Strahl der Lampe sah er noch grausamer aus, denn es wurde nichts mehr von einer gnädigen Dunkelheit verdeckt. Die Bisse verteilten sich auf dem Gesicht, und dort waren nicht nur einfach die Bißstellen zu sehen, diese scharfen Zähne hatten auch beim Eindringen an der Haut gezerrt und kleine Stücke herausgerissen. An den Rändern hingen sie oft wie kleine Streifen nach unten.
Der Hals war ebenfalls nicht verschont worden. Dort hatten die Zähne eine Ader zerfetzt, und der Mann mußt sehr viel Blut verloren haben. Mit Fledermäusen an sich hatte ich nicht viel zu tun gehabt. In meinen Fällen war es mehr um ihre Mutationen und damit um die Verwandlung gegangen.
Ich kannte sie als Vampire, und sie hatten sich dabei an die alten Sagen und Legenden gehalten. Ich wußte auch, wie Menschen aussahen, die in die Fänge derartiger Vampire geraten waren. Da genügten meist nur zwei Bisse, deren Druckstellen sich am Hals abzeichneten. Hier war es anders, und dieser Mensch war auch nicht von einem normalen Vampir angegriffen worden. Auf ihn mußten sich die Fledermäuse gestürzt haben, davon ging ich zumindest aus.
Ich hatte nicht lange hingeschaut, obwohl es mir so vorgekommen war, weil ich diesen Eindruck einfach zu intensiv erlebt hatte. So drehte ich mich langsam nach links, um die Frau anschauen zu können.
Jana fühlte sich in ihrem Element. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und lächelte mich an. »Zufrieden?« fragte sie.
»Nein. Wenn ich vor einem toten Menschen stehe, kann ich nicht zufrieden sein.«
»Das ist Ihr Problem. Aber Sie sind der einzige Fremde, der diesen Menschen bisher gesehen hat, und ich glaube nicht, daß Sie Ihren Kollegen jemals davon werden berichten können. Ich hatte Sie gewarnt, doch Sie fühlten sich stark und haben nicht auf mich gehört. Das ist eben Ihr persönliches Pech.«
Ich ignorierte die Drohung.
Weitere Kostenlose Bücher