1109 - Hexenspiele
hatte.
»Das haben die wenigsten Menschen. Wünschen wir uns, daß wir es auch in Zukunft nicht brauchen.« Sie sprach Suko an, der schon an der Tür war. »Wann bist du zurück?«
»So schnell wie möglich. Außerdem werde ich dem Hausmeister Bescheid geben, daß er sofort meldet, wenn etwas nicht in Ordnung ist.« Er lächelte. »Wird schon gutgehen.«
Shao enthielt sich einer Antwort. Sie sprach erst, als Suko die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte. »Möchten Sie noch einen Schluck Tee, Betty?«
»Nein, ich möchte nur, daß alles so schnell wie möglich vorbei ist«, flüsterte sie und senkte den Kopf.
»Das kann ich verstehen…«
***
Sie hatten die Nacht abgewartet und sich in der kleinen Hütte so gut wie möglich ausgeruht. Alle drei wußten, daß der folgende Tag entscheidend werden würde, denn Zeit hatten sie nicht zu verlieren. Der anderen Seite durfte es auf keinen Fall gelingen, weiter gegen sie vorzugehen, denn der Teufel sollte durch seine Diener freie Bahn haben.
Melissa und Lara sahen Lou Gannon jetzt mit anderen Augen an. Er war nicht mehr nur ihr Leibwächter und Aufpasser, er war zu etwas Besonderem geworden, denn beim Erscheinen hatte der Teufel sich nicht um die Frauen und Hexen gekümmert, sondern um ihn. Lara und Melissa hatte er links liegen gelassen, als wären sie für bestimmte Rollen nicht würdig gewesen. Das wurmte sie, doch dagegen tun konnten sie nichts und mußten sich zunächst fügen.
Fest stand auch, daß Betty verschwunden war. Eine sehr wichtige Person, beinahe so wichtig wie Rosy Welch, denn Betty hatte dicht davor gestanden, vollends zu ihnen zu stoßen. Um das zu erreichen, war sie mit zahlreichen Informationen gefüttert worden. Mit zu vielen, um aussteigen zu können, und deshalb mußte sie aus dem Weg geschafft werden. Erst war sie an der Reihe, dann konnte ihre Wohnung in Brand gesteckt werden, um auch die letzten Spuren zu löschen. So hatten sie es bei Rosy gehalten, und den Weg würden sie auch weiterhin beschreiten.
Aber wo verbarg sich Betty?
Sie hatten darüber gesprochen und waren immer wieder bei dem chinesischen Paar hängengeblieben. Diese beiden Fremden hatten ihr geholfen und Betty würde zu ihnen Vertrauen fassen und ihnen alles berichten.
Das machte die beiden Hexen nervös. Ihr Spiel paßte nicht mehr. Es hatte einen Riß bekommen, und es war durcheinander geschüttelt worden, so daß die Figuren hinliefen, wo sie wollten.
Die Frauen waren wütend. Sie kannten keine Namen. Die beiden waren wie Phantome in der großen Stadt. Trotzdem hatten sie den Weg zu Betty gefunden. Da glaubten Melissa und Lara nicht an einen Zufall. Das Geschick hatte da einen Bund geflochten, der nicht eben auf ihrer Seite stand.
Sie konnten nicht schlafen. Sie verbrachten die Nacht mit Reden und Schweigen.
Aus dem Kessel wehten längst keine Rauchschwaden mehr. Ihr Gebräu, das sie nach alten Hexenrezepten gemixt hatten, lag wieder mit glatter Oberfläche da. Es hatte seine Pflicht getan und den Teufel angelockt. Der Zauber war für die beiden Frauen vorbei, die auch nicht mehr nackt waren, sondern wieder ihre Kleidung übergestreift hatten.
Nur einen störte es nicht: Lou Gannon. Er lag auf dem Boden und schlief. Manchmal glitt ein Lächeln über sein Gesicht, wie bei einem Menschen, der positive Träume erlebte. Bei ihm konnten Lara und Melissa sich das schwer vorstellen. In ihn hinein war der fremde Geist gefahren, er sorgte für die Träume, die möglicherweise aus Bildern bestanden, die in einer engen Verbindung zur Hölle standen.
Gannon lag auf der Seite. Sein Gesicht war zu sehen. Beide Frauen fragten sich, ob mit ihm eine Veränderung vorgegangen war. So sehr sie auch hinblickten, es war nichts zu sehen. Die Fratze des Teufels, die sich bei ihm gezeigt hatte, gab es nicht mehr. Melissa und Lara hofften, daß sich der Satan nicht zurückgezogen hatte und sie weiterhin beschützte.
Sie warteten auf sein Erwachen. Sie wollten ihn nicht stören. Er war zwar für sie keine Tabu-Person geworden, doch sie mußten ihn schon mit anderen Augen ansehen.
In dieser einsamen Gegend war und blieb es ruhig. So oft sie auch die Hütte hier als Unterschlupf und Versteck benutzt hatten, sie waren noch nie gestört worden. Hier konnten sie sich wohl fühlen und so geben wie immer.
Es wurde schon hell, als sich Lou Gannon bewegte und auch dabei erwachte.
Nach einem knappen Seufzer öffnete er die Augen.
Sofort schauten die beiden hin.
Er setzte sich auf. Gannon
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