1116 - Der Hexenkelch
Auslagen zu, in denen alles durcheinanderstand.
Weiter hinten mußte der Friedhof liegen. Das Licht der Sonne schien auf Gebilde, die mir wie Grabsteine vorkamen.
Black hatte uns schon erwartet. Er saß wie ein Westernheld in einem Schaukelstuhl vor dem Haus und rauchte eine Zigarre, die hin und wieder sein Gesicht in grauweiße Rauchwolken einhüllte.
Black sah aus wie jemand, den man sich landläufig als Kapitän vorstellt. Er wirkte knorrig, er war bärtig, hatte hellwache Augen, trug eine derbe Hose, Hemd und eine Weste.
Seine Lippen schimmerten rosig aus dem Bartgeflecht hervor. Er produzierte den Rauch, kniff die Augen etwas zusammen und sagte auch nichts, als wir mit dem Toten die Stufen hochgingen. Er stand nicht einmal auf.
»Lassen Sie mich mit ihm reden!« flüsterte Alan uns zu. »Ich denke, daß er sich an mich erinnern wird. So fremd bin ich ihm dann auch nicht.«
Wir stimmten zu. Suko setzte nur den Toten wieder ab. Der ehemalige Kapitän schaute nur kurz hin, dann kümmerte er sich um uns. Er nickte uns zu.
»Sie kennen mich noch, Mr. Black?«
Der Kapitän schaute Alan etwas länger an als gewöhnlich. »Ja, ich denke, daß ich Sie schon hier gesehen habe.«
»Danke, das ist gut.«
»Nein, das ist nicht gut«, sagte Black mit rauher Stimme. »So etwas ist überhaupt nicht gut. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie sich um Dinge gekümmert, die Sie nichts angehen. Die nur für uns interessant sind. Wir leben hier auf der Insel. Hier wollen wir auch bleiben und nicht gestört werden. Sie haben etwas in Bewegung gebracht, das besser geruht hätte.«
»Es mußte sein.«
»Warum?«
»Hättet ihr euch denn bis zu eurem Lebensende terrorisieren lassen wollen?«
Black paffte weiter. »Wie kommen Sie darauf«
»Ich weiß doch, daß es nicht nur diesen einen Toten gegeben hat. Schauen Sie ihn doch an, Black. Sie kennen ihn. Er war mit mir zusammen auf der Insel. Und er ist in meinem Alter gewesen. Jetzt aber sieht er aus wie ein alter Mann. Man hat ihm die Jahre genommen. Nicht die Jugend, sein ganz normales Alter. Man hat ihn zu einem Greis werden lassen, und das ist einigen von euch auch passiert, die auf dem Friedhof verscharrt liegen. Aber jetzt sind wir gekommen. Nun habt ihr eine Chance, gegen das verdammte Unheil anzugehen, verstehen wir uns richtig?«
Josuah Black sagte nichts. Er schaute nur verträumt in die Ferne, wie es schien.
»Warum sagen Sie denn nichts?« Alan regte sich auf. Er blickte auch Suko und mich hilfesuchend an.
»Ich habe den Schrei der Banshee vernommen«, sprach Black mit ruhiger Stimme. »Es war noch in der Nacht. Sie hat geschrieen und gelacht. Man erzählt sich, daß jemand stirbt, wenn die Banshee schreit. Und es ist wieder eingetroffen. Die Banshee hat geschrieen. Sie hat sogar sehr laut geschrieen. Alle müssen es gehört haben. Und es ist eingetroffen, was sie durch ihren Schrei vorhergesagt hat.«
»Das ist es, verdammt. Es ist eingetroffen. Ich hasse sie dafür.«
»Warum habt ihr mir den Toten gebracht?«
»Sie haben ein Kühlhaus.«
»Soll er dort liegen?«
»Darum wollten wir sie fragen. Ich werde ihn nicht hier begraben lassen. Will meinen Freund mit nach London nehmen. Dort soll er dann seine Ruhe finden.«
Josuah Black schaute uns an, als wären wir Todeskandidaten. Er lächelte sogar, danach schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er mit leiser Stimme. »Nein, das ist nicht möglich, denn ich glaube nicht, daß ihr die Insel verlassen werdet. Und wenn, dann nur als Tote. Ihr seid Menschen, die Banshee aber ist etwas anderes. Sie ist eine Hexe, und in ihr steckt die Macht der Morgan le Fay.«
»Wir werden sie brechen!«
Black schüttelte den Kopf. »Nein, nein, aber ich sehe schon, daß ich euch nicht aufhalten kann.«
Sein Kinn ruckte, als er uns anschaute. »Verstärkung?«
»So ähnlich«, sagte ich.
»Dann seid ihr sehr mutig oder lebensmüde.«
»Wir haben Alana gesehen«, sagte Suko.
Black hatte ausgesehen, als wollte er lachen. Jetzt aber zuckte er zusammen und schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht glauben. Ihr habt sie gesehen und lebt noch?«
»Wie Sie sehen.«
»Dann werdet ihr nicht mehr lange leben.« Für ihn war das Thema damit erledigt. Er stemmte sich aus seinem Schaukelstuhl hoch und ging einfach weg.
»Hinterher«, sagte ich.
Der ehemalige Kapitän ging an seinem Haus vorbei auf den hinteren Teil zu. Er war wohl damit einverstanden, daß wir den Toten bei ihm »zwischenlagerten«. Jedenfalls hatte er
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