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112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
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um von jedem Punkt der Nachkriegsbehausung an die Tür zu kommen) die zweite Salve loslassen, da drehte sich zum Erstaunen der Nachbarin deutlich wahrnehmbar der Schlüssel im Schloss.
    Eine schlanke Mittzwanzigerin in engen Jeans öffnete die Wohnungstür, ein Handy am Ohr, munter redete sie in einer fremden Sprache drauflos. Aha, dachte ich, die Blondine stammt offensichtlich nicht aus dem Schwarzwald. Nach weiteren zwei, drei Sätzen unterbrach sie dann doch für einen Moment ihr Telefonat, um uns gnädig mitzuteilen:
«
Bietä leisä, Chint schlafen!»
    Ich versuchte ihr zu erklären, dass anscheinend aus ihrer Wohnung Wasser durch die Zwischendecken bis vor die Haustür lief, was sie, das Telefon immer noch am Ohr, mit verständnislosem Kopfschütteln beantwortete. Irgendwie schaffte ich es aber, ihr klarzumachen, dass wir einen Blick in ihr Bad werfen müssten. Sie ließ uns in den Flur treten, zeigte auf eine Tür, hinter der sich wohl das Bad befand, und verschwand danach telefonierend im Wohnzimmer. Hinter sich schloss sie die Tür, als wolle sie uns bedeuten: «Meine Wäsche und meine Tampons interessieren mich gerade nicht, wenn ihr wollt, dann bedient euch.»
    «Das ist jetzt nicht wahr», wunderte sich Steffen. «Die telefoniert einfach weiter.»
    Ich war ebenfalls etwas irritiert: «Die tut ja so, als wären wir Teil einer Wohngemeinschaft. Sollen wir ihr mal die Bude leerräumen, um zu sehen, ob sie das merken würde?»
    Nun gut, wenigstens konnten wir auf diese Weise den Porzellansalon in Ruhe inspizieren. Doch dort war alles trocken. Nur in der Badewanne verbrachte noch ein einsames Schaumkrönchen über dem Abfluss seinen Abend.
    «Komisch, hier ist ja gar kein Wasser», meinte Steffen. «Keine Pfützen. Und kein Fließgeräusch in den Wänden, was auf gebrochene Leitungen hindeuten würde.» Mein Kollege horchte unter dem Waschbecken an den Leitungen.
    Da ich etwas Ähnliches schon einmal erlebt hatte und das im Erdgeschoss tropfende Wasser schaumig war, machte ich einen Kontrollgriff in den Wannenablauf. Und tatsächlich: Er war lose.
    «Gib mir mal dein Leatherman», forderte ich Steffen auf, mir das besagte Multifunktionswerkzeug zu überlassen, das er stets am Gürtel trug. Mit dem Gerät, das auch eine zusammenfaltbare Kombinationszange enthält, bog ich die Blechlaschen der Wartungsklappe der Wanne auf, durch die man den Siphon des Abflusses erreichen konnte. Ein Blick hinter die entfernte Klappe brachte die Bestätigung: Neben Ersatzfliesen und Bauschutt befand sich unter der Wanne eine Pfütze. Restbadewasser.
    «Ich hab’s gefunden», ächzte ich, eingeklemmt zwischen Klo und Badewanne. «Hier ist alles nass. Am losen Abfluss vorbei wurde das halbe Badewasser unter die Wanne entsorgt. Und landete dann in der Zwischendecke.»
    Steffen griff zum Funkgerät, um dem Wachführer, der sich anscheinend immer noch die Leidensgeschichte der aufgebrachten Hausmatrone anhören musste (jedenfalls war er noch nicht bei uns aufgetaucht), die Lage mitzuteilen: «Chef? Das Wasser ist unter der Wanne ausgelaufen, ist aber schon alles versickert. Da kann man nur noch warten, dass es in den nächsten ein, zwei Tagen unten wieder herauskommt. Ist nichts für unseren Wassersauger. Aber der Wannenabfluss ist lose, da solltest du die Mieterin hier mal aufklären. Wenn du Polnisch kannst, wäre das von Vorteil.»
    Unser Vorgesetzter hatte jetzt einen Grund, den endlosen Klageschwall der Dame im Blümchenkittel zu unterbrechen: «Okay, ich kann zwar kein Polnisch, komme aber rauf.»
    Der Fall war also geklärt. Wir konnten nicht mehr viel machen, und bis das Wasser aus der darunterliegenden Decke heraustrat, konnte es einige Stunden dauern. Unserem Wachführer blieb nur noch die Aufgabe, das Telefonat der Bewohnerin zu unterbrechen und sie darum zu bitten, von weiteren Vollbädern vorerst abzusehen.
    In diesem Moment betrat er die Wohnung, schnell hatte er uns gefunden.
    «Wo ist denn die Dame?», fragte er.
    Steffen deutete grinsend zur Wohnzimmertür, hinter der immer noch ihre Stimme zu hören war. Unser Anstaltsleiter zögerte keinen Augenblick und öffnete die Tür. Die junge Frau beachtete ihn gar nicht, sondern plauderte ungerührt weiter.
    «Hallo?», rief er. «Hallo Sie, hören Sie mir doch bitte mal zu … HALLO ! Jetzt hören Sie aber zu!»
    Die Mieterin unterbrach etwas genervt ihr Gespräch, vielleicht nur aus dem Grund, weil unser Chef etwas lauter wurde. Aber auch ihn wies sie nur darauf hin, was

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