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112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
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auch schon uns gegenüber ihre größte Sorge zu sein schien: «Bietä leisä, Chint schlafen.»
    Wir versuchten ihr jetzt zu dritt zu erklären, was wir in ihrer Wohnung unter der Wanne entdeckt hatten und dass deswegen das halbe Haus an Stellen nass war, wo die Mitbewohner es nicht so gern hatten. Aber sie schaute nur wie ein Schaf, wenn es donnert, denn sie verstand anscheinend so gut wie überhaupt kein Deutsch.
    «Kann denn Ihr Telefonpartner etwas Deutsch?», fragte unser Wachführer schließlich.
    «Deitsch? Äh … an Täläfon? Äh, tak.»
    «Dann geben Sie den Apparat mal her!» Der Einsatzleiter nahm das Handy an sich, um ihren der deutschen Sprache zumindest ansatzweise mächtigen Gesprächspartner zu beauftragen, der wenig interessierten Mutter beizubringen, die Wanne nicht mehr zu benutzen, bis sich ein Rohrkundiger der Sache angenommen hatte. Dann gab er das Telefon mit den Worten zurück: «Lassen Sie sich jetzt mal erklären, was ich gesagt habe.»
    Als die Blondine den Apparat wieder ans Ohr hielt, sah man ihrem Gesicht an, dass sie angestrengt über das Gehörte nachdachte und wohl so langsam verstand, warum wir in ihrer Wohnung waren. Jedenfalls machte sie ein Zeichen, dass sie jetzt begriffen hätte, was wir von ihr wollten. Anscheinend war diese Hürde genommen.
    Wir wollten gerade gehen, da sprach uns im Treppenhaus ein weiterer Mieter an. Dieser wohnte allerdings im zweiten Stock, mithin über der Frau mit dem Leck in der Wanne. Der Mann war Mitte dreißig, möglicherweise ebenfalls ein Osteuropäer, konnte aber etwas besser Deutsch als die Polin und zeigte eindeutig mehr Interesse an uns: «Bei mir auch schlimm tropft, immer, so aus Wohnung über, mal schauen, bitte.»
    «Wie, es tropft aus der Wohnung über Ihnen?», fragte ich. «Das kann dann aber nicht mit der Frau im ersten Stock zusammenhängen. Aber wir schauen uns die Sache natürlich an.»
    Kevin und ich folgten dem Mann die Treppe hinauf, während unser Chef wieder damit beschäftigt war, die zeternde Frau aus dem Erdgeschoss davon zu überzeugen, dass der Wasserschaden keine Absicht der Telefonverliebten war und die Ursache jeden im Haus hätte treffen können.
    In der Wohnung im zweiten Stock wurden wir ins Badezimmer geführt. Und tatsächlich: Im Bad des Mannes tropfte etwa im Dreißig-Sekunden-Takt Wasser an der Deckenleuchte vorbei. Allerdings dieses Mal ohne Schaum.
    «Wie lange tropft es denn schon?», fragte Kevin.
    «Letzte Woche. Komme Freitag nach Chause, gemacht Licht. Puff!, war Sicherung aus, Wohnung dunkel. Darum ich habe gekläbt der Schalter fest, dass nicht schalten, wenn nicht daran denken. Seitdem nix mehr Sicherung aus. Decke mal tropfen, mal wäniger. Weiß nicht, was sonst tun
»
, beschrieb der Mann die Situation und deutete auf den mit Paketklebeband geknebelten Lichtschalter neben der Tür.
    «Na, das mit der Sicherung und dem verklebten Schalter ist ja schon mal nicht schlecht improvisiert», murmelte ich nachdenklich. Der eine oder andere Mensch machte sich eben doch noch so seine Gedanken, um sich selbst zu helfen.
    Wir wussten allerdings nicht recht, woher das Wasser aus der Deckenlampe kam, das langsam, aber stetig in einen Eimer tropfte, den der Bewohner in die Mitte des Badezimmers gestellt hatte. Vor allem, da es seit mindestens Freitag tropfte und wir bereits Montag hatten. Abends, genauer gesagt 21 . 30 Uhr. Warum der Mann aber nicht längst den Vermieter oder einen Installateur gerufen hatte, konnte er uns auch nicht sagen.
    Zur Ursachenforschung stiegen wir also hinauf in den dritten Stock. Steffen klingelte an der Wohnungstür, und der Mieter machte uns zähneputzend, im Muskelshirt und in schmutziger Trainingshose die Tür auf. Er war ein Mensch, mit dem ich lieber keinen Streit anfangen würde. So ein Muckibuden-Goldcard-Inhaber.
    «Guten Abend. Aus Ihrer Wohnung scheint Wasser in die untere Wohnung zu laufen. Dürfen wir mal in Ihr Bad, um die Sache zu kontrollieren?», fragte Steffen.
    «Wie? Aus meiner Wohnung? Hier ist alles trocken. Da tropft nichts», behauptete der Fitnessstudiogeher.
    Steffen blieb hartnäckig: «Irgendwo muss das Wasser aber herkommen. Darum müssen wir einmal in Ihrem Bad nachsehen, um sicherzugehen. Immerhin tropft das Wasser unten aus einer Deckenlampe, und das birgt eine Gefahr für das ganze Haus.»
    Das Muskelpaket war zwar immer noch etwas ärgerlich über die Störung, ließ uns aber in seine Wohnung. Drinnen hing vor der Wohnzimmertür ein dünnes Tuch, und

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