112 - Monster im Prater
Wir haben den Freundes- und
Bekanntenkreis Erika von Freeses durchleuchtet. Sie war beliebt, und es scheint
niemand zu geben, der einen Grund gehabt hätte, sie aus dem Weg zu räumen.
Einen festen Freund hatte sie, nachdem vor acht Jahren eine langjährige
Verlobung in die Brüche ging, nie mehr. Sie wollte von den Männern nichts mehr
wissen. Übereinstimmend haben das einige ihrer Freundinnen, die wir befragt
haben, bestätigt. Erika von Freese genoss ihr Singledasein.“
„Vielleicht
gab's schließlich doch jemand, dem sie sich wieder anschließen wollte und von
dem nicht mal ihre besten Freundinnen etwas wussten“, warf X-RAY-3 ein.
„Das können
wir natürlich nicht ausschließen. Aber in dem Fall Erika von Freese scheint das
nicht so recht zu passen, Larry. Sie war ein sehr ordentlicher Mensch. Sie hat
regelmäßig Tagebuch geführt, auch dann, wenn sich nichts Besonderes im
herkömmlichen Sinne ereignet hatte. Sie war eine besessene Schreiberin. Privat
wie beruflich. Ihre Tagebucheintragungen enden am Tag ihres Verschwindens um
einundzwanzig Uhr. Stunde für Stunde hat sie diesen Tag nochmal
aufgeschlüsselt, und wir sind praktisch über jeden ihrer Schritte unterrichtet.
Wir wissen, mit wem sie im Prater sprach, welche Betriebe sie aufsuchte ... Und
dann der plötzliche, unerklärliche Aufbruch!“
„Gerade so,
als hätte sie - wie die Arztfrau Eva Matoky und die anderen Vermissten auch -
plötzlich einen Ruf vernommen, nicht wahr?“, murmelte Brent. Den
Gesprächspartnern fiel dabei auf, dass X-RAY-3 diese Worte sehr deutlich
betonte.
„Ich weiß,
was Sie jetzt meinen, Larry“, ließ Sachtler sich vernehmen. „Sie spielen auf unser
eigenes nächtliches Abenteuer an. Wir wissen nicht, was wir in diesen fünf
Stunden eigentlich gemacht haben ... Und Sie selbst verspüren den Drang,
nochmal in die Tiefe zu gehen und die auszuloten.“
„Vielleicht
haben wir letzte Nacht alle drei Stimmen gehört - wir können uns bloß nicht
mehr daran erinnern. Das wäre fast eine Parallele zu den Fällen, die Sie
aufgezeigt haben, Kommissar. Seit dem Freilegen des Raumes unterhalb des
Kellers und der Entdeckung des mysteriösen Schachtes ist ungefähr eine Woche
vergangen, nicht wahr?“
„Ich habe
anfangs ähnlich gedacht wie Sie, Larry“, schüttelte Sachtler den Kopf. „Nach
der zweiten Vermisstenmeldung haben wir drei Tage das Abbruchhaus, auch nachts,
bewacht. Niemand ist dort ungesehen eingedrungen. Trotzdem kam es in der
gleichen Zeit zu zwei weiteren Fällen, in denen Frauen spurlos verschwanden.“
„Dann steckt
noch etwas anderes dahinter.“ Larry Brent blickte seine attraktive Kollegin
eingehend an.
„Okay,
Sohnemann“, begriff Morna Ulbrandson sofort die Lage, ohne dass auch nur ein
zusätzliches Wort zwischen ihnen fiel. „Ich kümmere mich um die Sache, ich sehe
mir die Akten an und überprüfe die Berichte, während du nochmal auf
Tauchstation gehst.“
Diese Absicht
konnte Larry Brent alias X-RAY-3 kurz vor fünfzehn Uhr verwirklichen. Zu diesem
Zeitpunkt hielt sich die Schwedin schon im Kommissariat auf. Auch Sachtler war
dort. Der PSA-Agent war dennoch nicht allein. Zwei Polizisten waren zu seinem
persönlichen Schutz abgestellt worden. Die Elektroinstallationsfirma war
inzwischen erfolgreich gewesen. „Das war die verrückteste Reparatur, die ich
jemals durchgeführt habe“, ließ der Meister ihn wissen, der die Arbeiten mit
zwei Gesellen ausgeführt hatte. „Insgesamt fünf Sätze Beleuchtungskörper sind
dabei auf der Strecke geblieben. Jedes Mal, wenn Strom eingeschaltet wurde,
haben sie ihren Geist aufgegeben. Dabei waren die Birnen einwandfrei, und in
der Leitung gab's auch keinen Kurzschluss. Wir haben x-mal durchgemessen ...“
„Das will ich
Ihnen gern glauben“, bemerkte X-RAY-3 beiläufig, während er den ersten Keller
taghell ausgeleuchtet erlebte und sich der Eindruck, dass es sich um einen
ehemaligen unterirdischen Versammlungsraum handelte, in ihm verstärkte.
„Manchmal gibt’s eben auch andere Fehlerquellen.“
„Ich habe
jedenfalls keine gefunden“, entgegnete der Handwerker. „Wir haben praktisch nur
Beleuchtungskörper ausgetauscht, so lange, bis sie endlich heil blieben.“
„Das war
wahrscheinlich deshalb der Fall, weil Sie dann zufällig den richtigen Zeitpunkt
erwischt haben.“
„Versteh ich
nicht!“, meinte der andere verwundert.
„Ich auch
nicht“, gestand Larry Brent. „Aber es ist eigentlich die einzige Erklärung...“
Eine an
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