112 - Monster im Prater
Monster wenden, das
sich aus dem gespenstischen Halbdunkeln schälte. Das Geschöpf war plump und
massig, schimmerte grün und feucht und nahm die Bühne fast völlig ein. Ein -
Riesenfrosch! Er war größer als ein Mensch. Andreas Wibbert schätzte ihn auf
fast drei Meter. Der kantige Schädel ruckte hin und her, und die tellergroßen
schwarzen, hervorquellenden Augen schienen jeden einzelnen Anwesenden im
Zuschauerraum zu erfassen. Der Frosch gab ein tiefes Quaken von sich. Auf
Sprungbeinen schob er sich einen weiteren Meter heran und erreichte den Rand
der Bühne. Angst erfasste ihre Herzen, aber keiner konnte schreien oder den
Zuschauerraum verlassen. Unabhängig davon, dass die Türen verschlossen waren -
niemand wäre in der Lage dazu gewesen, dorthin zu laufen und ins Freie zu
stürzen. Sie hatten für ihren Besuch bezahlt, und sie mussten das Ungetüm
anschauen. Hypnose war im Spiel! Istvan Perkush hatte eine Massensuggestion
bewirkt, oder die Erscheinung dieses Riesenfrosches wirkte so intensiv auf
Bereiche der Seele und des Geistes, dass es sich als Hypnosezustand auswirkte.
Das Ungetüm richtete sich auf, quakte, dass es unheimlich den ganzen
Zuschauerraum erfüllte, und beugte sich dann nach vom. Die grünen, feuchten
Glieder streckten sich den Menschen entgegen. Die Schwimmhäute spreizten und
spannten sich. Das rechte Vorderbein des Frosches streifte an Andreas Wibberts
Gesicht vorbei. Er zuckte nicht mal zusammen, obwohl sein Herz raste, und der
kalte Schweiß aus allen Poren trat. Wibbert war - wie die anderen in der Bude -
wie gelähmt, allein mit seiner schrecklichen Angst und der Ungewissheit, die
jeden hier erfüllte. Wo war Perkush? Wie lange wollte er dieses unheimliche
Schauspiel noch vorführen? Was war, wenn der Frosch von der Bühne sprang -
hinein in den Zuschauerraum? Selbst wenn das Ungetüm ungefährlich war und die
Zuschauer nicht anfiel, konnte leicht etwas aus Unachtsamkeit Vorkommen. Die
zentnerschwere Fleischmasse würde einen Menschen zerdrücken wie eine Fliege.
Fliege! Das
war das Stichwort, das Andreas Wibbert blitzartig
durch den Kopf schoss, und er musste an die Viertelstunde denken, die er um die
Mittagszeit im Wohnwagen des Ungarn zugebracht hatte. Neben dem kleinen
Klapptisch am Fenster ... auf der Fensterbank ein Einmachglas, abgedeckt mit
einem luftdurchlässigen Gazetuch und im Glas - eine kleine hölzerne Leiter und
ein Laubfrosch, ein kleines niedliches Tier. War das Perkushs Kapital?
Arbeitete er mit einem Trick und ließ diesen Frosch durch Spiegelung oder
sonstige Manipulationen den Zuschauern so gewaltig und riesig erscheinen? War -
Zauberei im Spiel? Oder - gab es wirklich ein solches Ungetüm? Wo aber verbarg
er es dann? Gab es in dem Anbau, wo sich die ausgestopften, präparierten Allerweltsmonster
und das Becken mit den springlebendigen Piranhas befand, eine streng
abgetrennte Abteilung, die sie gar nicht gesehen hatten? War sie so geschickt
getarnt, dass sie im Halbdunkel der Bude nicht für vorbeiflanierende Zuschauer
erkennbar war? Und warum ließ Perkush sich jetzt nicht sehen, warum gab er
keine erläuternden Bemerkungen wie vorhin im Anbau? Andreas Wibbert stöhnte und
hörte auch die anderen Menschen neben und hinter sich seufzen. Das war die
einzige Regung, zu der sie fähig waren. Der Riesenfrosch riss das Maul auf. Die
Menschen erschauerten. Der dunkle, feucht schimmernde Rachen war groß genug, um
einen ausgewachsenen Menschen zu verschlingen. Wibbert schoss ein weiterer
Gedanke durch den Kopf. Meixner! Plötzlich musste er wieder intensiv an seinen
Begleiter und ihr gemeinsames Vorhaben in der letzten Nacht denken. War Thomas
Meixner aus Versehen durch die falsche Tür gegangen - und dem Froschmonster
genau in die Arme gelaufen? Dieser Riesenfrosch ernährte sich bestimmt nicht
von Stubenfliegen! So ein Fleischkoloss braucht mehr. Fleisch... geschlachtete
Kaninchen, Brocken, wie man sie Raubkatzen hin warf und die der Ungar sich
jeweils aus dem örtlichen Schlachthof besorgte. Der Riesenfrosch - verspeiste
vielleicht sogar Menschen. Mit Haut und Haaren. Das weit geöffnete Maul befand
sich dicht vor Marlenes Gesicht, der Begleiterin Wibberts. Die junge Frau hatte
die Schultern eingezogen und saß völlig regungslos, als wäre sie vor Todesangst
erstarrt. Das Maul war weit genug aufgerissen, um sich über ihren Kopf zu
stülpen, weit genug noch, um auch ihre schmalen Schultern zu überwinden und den
Körper ohne große Mühe zu
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