112 - Monster im Prater
- einem Ruf. Da war es wieder - dieses
Gefühl, eigentlich nicht zu agieren, sondern zu reagieren ...
Larry Brent
musste an die Frauen denken, die verschwunden waren. Aber das konnte auch etwas
anderes sein ...
„Alles ist
verworren sagte da eine leise Stimme neben ihm, und Larry Brent fuhr zusammen.
Da konnte niemand sein! Der Schacht war zu eng, als dass zwei Personen
nebeneinander Platz gehabt hätten.
„Ich muss ihn
finden ... wir sind verloren ...“
Wieder die
Stimme. Er hielt den Atem an und lauschte. Die Stimme aus den Steinen! Nun
ertönte sie nicht mehr nur nachts zwischen eins und drei, sondern auch am Tag!
Larry war sicher, diese Stimme schon mal gehört zu haben. In der letzten
Nacht...
Er war der
Stimme schon mal gefolgt und war Zeuge geworden der Dinge, die sich hier unten
abgespielt hatten und nun - durch die Entdeckung des unterhalb des normalen
Keller liegenden Gewölbes - wieder zum Leben erwacht waren. Plötzlich wusste
er, was sich in der Nacht ereignet hatte. Nur diesmal war es anders. Er kriegte
es bewusst mit, als wäre er jetzt gereift und in der Lage, die Dinge zu
verstehen und richtig einzuordnen. Er richtete den Blick nach oben. Die
Schachtöffnung war schätzungsweise fünf Meter von ihm entfernt. Er sah die
Köpfe und Körper der beiden Polizisten, die sich nach vorn beugten, um ihn zu
beobachten. Sie wirkten alle beide seltsam ruhig, bewegungslos, beinahe - wie
erstarrt. Da wusste er, dass sich das Geschehen von letzter Nacht auch in einer
anderen Beziehung wiederholte. Für die Männer dort oben stand subjektiv die
Zeit still, während sie normal weiterlief. Aber das bekamen beide nicht mehr
mit. Nur für ihn, der sich weiter bewegen konnte und dessen Gedanken - wohl
vorbereitet - in eine ganz bestimmte Richtung gingen, schien die Zeit normal
abzulaufen.
Er konnte
sich in ihr bewegen. „Wer bist du?“, fragte X-RAY-3 leise und suchte mit seinen
Blicken die rauen, fest aneinandergefügten Steinquader ab. „Hast du einen
Namen?“
„Ich bin
Stefanie“, antwortete ihm die leise Frauenstimme aus dem Stein.
„Was ist mit
dir geschehen? Warum bist du hier, und wie kann ich dir helfen?“
Weiter sah
Larry sich verzweifelt um, ohne jedoch eine Bewegung wahrzunehmen. Dafür
registrierte er, dass er am Ende der Leiter angekommen war. Der Schacht war
keine hundert Meter tief, sondern höchstens fünf oder sechs! Die dünne, aber
strapazierfähige Strickleiter aus Nylon war auf dem Boden zu seinen Füßen
zusammengelegt und füllte den Hohlraum aus. Also doch eine optische Täuschung!
Das Ende des Schachtes war gleichzeitig ein niedriger Raum, in dem Larry nur
gebückt stehen konnte. Der Schein, den die Lampen von oben nach unten
bewirkten, ließ ihn die triste und kahle Umgebung noch wahrnehmen. Hinter den
dicken Steinquadern war leises Rauschen und Gurgeln zu vernehmen. Die
Kanalisation schien in der Nähe zu sein.
„Ich habe ihn
verloren ... aber wir haben uns geschworen, uns nie zu trennen ... auch im Tod
wollten wir vereint sein“, tönte Stefanies Stimme wieder auf. Dann sah Larry
Brent in dem unterirdischen Stollen eine schattenhafte Silhouette. Sie kam vom
anderen Ende der Dunkelheit auf ihn zu, lautlos und seltsam schleichend. Dem
Schritt nach war es keine Frau, sondern ein Mann. Diese Vermutung erwies sich
wenig später als völlig richtig, als die Gestalt ihm so nahe gegenüberstand,
dass er Einzelheiten erkennen konnte. Sie trug abgewetzte und schmutzige
Arbeitskleidung, die mit grauweißem Staub überdeckt war. Der Mann war einen Kopf kleiner als Larry, von gedrungener Gestalt und
dunkelhaarig. Das strähnige Haar hing ihm wirr in die Stirn, sein Gesicht war
blau angelaufen und aufgekratzt. Die Wunden waren einige Tage alt, und die
fahle Haut zeigte Spuren beginnender Verwesung. X-RAY-3 erkannte den Mann, der
vor ihm stand. Er hatte ihn auf einem Foto gesehen, das Kommissar Anton
Sachtler ihm gezeigt hatte. Dieser Mann war der Arbeiter Franz Sokowa! Und er
war - tot!
„Hallo“,
sagte Larrys Gegenüber, und seine Lippen bewegten sich kaum merklich. Die
Stimme, die aus seiner Kehle kam, war zart und leise. Es war die Stimme einer
Frau. „Ich bin Stefanie ...“
●
Im
Zuschauerraum von Istvan Perkushs Schaubude war es so still, dass man eine
Nadel hätte fallen hören können. Sogar die Musik war verklungen. Die Menschen
saßen da wie erstarrt, wie hypnotisiert. Keiner konnte aufspringen. Jeder
starrte auf die Bühne und konnte den Blick nicht von dem
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