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112 - Monster im Prater

112 - Monster im Prater

Titel: 112 - Monster im Prater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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verschlingen.
    Verdammt!
Wibbert hätte am liebsten laut geschrien. Ihm schlotterten die Knie. Warum
pfiff Perkush sein echtes, auf der Erde geborenes Monster nicht zurück? Er ließ
es völlig allein gewähren, um Grauen und Ängste aus den letzten Winkeln von
Seele und Geist zu locken.
    Der
Riesenfrosch berührte das Mädchen Marlene mit den Vorderbeinen. Die Zehen mit
den Schwimmhäuten legten sich auf Kopf und Gesicht. Einen Moment sah es so aus,
als wolle das Ungetüm zudrücken oder mit scharfem Ruck den Kopf auf den
Schultern der jungen Besucherin herumreißen, um ihr das Genick zu brechen. In
Gedanken hörte Andreas Wibbert schon ein trockenes Knacken. Aber alles blieb
ruhig. Der Riesenfrosch fasste die Menschen in den Reihen ins Auge und
watschelte dann hinter die Vorhanggrenze zurück. Noch mal drückte er seinen
massiven Leib herum, ließ ein letztes Mal den Blick über die gebannt sitzenden
Zuschauer schweifen, und dann fiel der schwarze Vorhang. Im gleichen Moment,
als der Monsterfrosch sich ihren Blicken entzog, schaltete sich die Musik
wieder ein. Sie wirkte jetzt nicht mehr so, dass sie eine unheimliche Stimmung
erzeugte, sondern befreiend und beschwingt, fast beglückend. Hinter dem
Vorhang, eine letzte raschelnde Bewegung. Dann glitten die beiden Hälften des
Vorhanges zusammen, und die Lichter flammten auf. Zum ersten Mal seit der
Anwesenheit der Menschen in diesem Raum verschwand das blaue und rote Licht,
und andere Scheinwerfer spendeten helles angenehmes Licht, in dem jeder sich
zurechtfand. Das gespenstische Halbdunkel verschwand. Die Anspannung wich. Die
Zuschauer bewegten sich wieder und atmeten durch. Die markante, tiefe Bassstimme
des Ungarn tönte auf. Sie kam von ganz hinten, wo sich Eingang und Ausgang
befanden und die Tür sich wieder öffnete. Ein schmaler Streifen Tageslicht fiel
herein. „Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren“, ließ Istvan
Perkush sich mit dröhnendem Organ vernehmen. „Ich habe mich über Ihr Kommen
sehr gefreut und hoffe, dass Sie alles, was Sie zuletzt gesehen haben, in Ihren
Herzen bewahren und mit niemand - ich betone: mit niemand! - jemals darüber
sprechen.“ Er schien die ganze Zeit während der Darbietung in der Nähe der Tür
gestanden und ebenfalls alles beobachtet zu haben. Perkush war und blieb ein
unheimlicher, rätselhafter Mensch. Wie war er in den Besitz des Riesenfrosches
gelangt? Die Zuschauer auf den letzten Bänken erhoben sich, als Perkush die Tür
vollends öffnete und sie zum Hinausgehen freigab.
    „Alles in
Ordnung?“, erkundigte sich Wibbert bei seiner neuen Freundin, die merkte, dass
ihr Kopf wie schutzsuchend an seiner rechten Schulter lehnte. Marlene merkte es
erst jetzt. Ihm war es die ganze Zeit schon aufgefallen, aber er sagte nichts.
„Ja, ja, natürlich“, beeilte sich die Tramperin zu sagen. „Was sollte denn
sein?“ Bei Andreas Wibbert blieb ein fader Beigeschmack zurück. „Weißt du noch,
was wir eigentlich gesehen haben?“, fragte er sie, während er mit den anderen
Besuchern der Show den schmalen Gang neben den Bankreihen entlangging. Die
meisten Zuschauer sprachen leise miteinander und schienen ihre Eindrücke
auszutauschen. „Natürlich“, antwortete Marlene ihm und warf ihren Kopf zurück.
„Einen Riesenfrosch ... Dass es so etwas gibt, hätte ich nie für möglich
gehalten.“ Sie wusste es also auch noch. Da sie in der ersten Reihe gesessen
hatten, waren sie jetzt die letzten, die zum Ausgang kamen. Istvan Perkush
nickte ihnen freundlich zu. Seine gleichmäßig weißen, kräftigen Zähne blitzten.
„Na, zufrieden? Hättet ihr so etwas für möglich gehalten?“, fragte er sie und
blickte einen nach dem andern an.
    „Hervorragend,
einmalig ... Perkush! Sie hatten recht. Etwas Sensationelleres habe ich nie
zuvor gesehen.“
    „Freut mich,
wenn das Monster einen solchen Eindruck bei dir hinterlassen hat.“ Perkush war
jetzt sehr persönlich und blieb beim vertrauten Du, als würden sie sich schon
Jahre kennen. „Hast du dir’s überlegt, mein Junge?“
    „Was überlegt,
Perkush?“ Wibbert war noch ganz in Gedanken.
    „Ob du mit
mir auf Reisen gehen wirst? Kreuz und quer durch Europa. Heute hier, morgen da
... Du wirst ein Dach über dem Kopf und jeden Tag ausgiebig zu essen haben.“
Nach diesen Worten lachte er dröhnend und schlug Wibbert so fest auf die
Schultern, dass dieser glaubte, ein Pferd habe ihn getreten. „Na, der
Kräftigste bist du auch nicht gerade. Aber das macht nichts.

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