1127 - Der Gothic-Vampir
er wußte auch, wohin man ihn geschafft hatte. Der Kontakt war nie richtig abgebrochen. Er war zwar schwächer geworden, aber der Instinkt war geblieben. Zumindest als Rest, denn Jacques war nie ganz vernichtet gewesen. Er selbst hatte damals für seinen Zustand gesorgt, auch mit dem Wissen, daß er irgendwann vorbeigehen würde, und jetzt war die Zeit reif.
Den Felsen auf dem flachen Hügel hatte er sich grundlos ausgesucht. Man hätte ihn auch als Grab eines Riesen bezeichnen können, und etwas Ähnliches war es auch. Der Vampir suchte nur den Zugang. Da war die schmale Lücke im Fels. Dahinter lag der Weg, der tief in das Gebilde hineinführte.
Mit kleinen und langsamen Schritten bewegte er sich an der Felswand entlang. Es war von ihm kein einziger Laut zu hören, abgesehen vom Schaben seiner nackten Füße.
Noch war es dunkel, und der Blutsauger wollte die Zeit ausnutzen. Tagsüber konnte er sich dann im Felsen versteckt halten. Dann würde alles seinen normalen Gang gehen. Verlernt hatte er nichts, und die Gier nach dem Lebenssaft des Menschen – am liebsten nach dem einer jungen Frau – kochte bereits in ihm hoch.
Er fand den Ort!
Vor dem schmalen Zugang blieb er stehen und übersah auch nicht die Warnung im Gestein, die schwach leuchtete. Dieser Felsen wurde auch als Kathedrale der Angst bezeichnet und deshalb auch die ins Gestein gehauenen Worte.
TERRIBILIS EST LOCUS ISTE – Dieser Ort ist schrecklich.
Montfour duckte sich, als er die Worte las, aber sie hielten ihn nicht auf. Er drückte sich in den Spalt hinein, und sofort wurde es noch dunkler um ihn herum.
Wie in einem Tunnel, dessen Wände fast zusammengewachsen waren, mußte er sich vorkommen. Der weite Himmel über ihm war verschwunden. Wenn er den Kopf in den Nacken legte und nach oben schaute, malte sich nur ein schmaler Streifen ab. Eine gräuliche Lücke, an deren Rändern von zerfaserndem Mondlicht gezeichnet.
Er war nie an diesem Ort gewesen, aber er wußte, daß er am Ende des schmalen Gangs die Person finden würde, auf die es ihm einzig und allein ankam.
Er war verwandt mit Hector de Valois gewesen. Auch wenn sie nicht auf der gleichen Wellenlänge gelegen hatten, so hatten sie doch Kontakt gehabt.
Der war später eingeschlafen, denn seiner Meinung nach war Hector de Valois den falschen Weg gegangen. Er hatte sich den Templern angeschlossen und war sogar zu ihrem Anführer gewählt worden. Damit gehörte er zu Montfours Feinden.
Die Felsen zu beiden Seiten drängten sich noch enger zusammen.
Hinzu kamen die Finsternis und die Kühle des Gesteins. Das alles hätte einen normalen Menschen zum Rückweg treiben müssen, nicht aber den Vampir.
Als nackte Gestalt, die weder fror noch schwitzte, schob sich das wiedererweckte Wesen weiter. Am Ende dieses schmalen Tunnels mußte er Hector finden.
Seine Augen bewegten sich. Der krasse Gegensatz zwischen Hell und Dunkel trat bei ihnen besonders hervor. So wirkte die Masse hinter den Pupillen wie erstarrtes Milcheiweiß.
Nichts war zu hören. In dieser engen Schlucht, die sich allerdings dann erweiterte, herrschten die Gesetze der Stille. Jeder Tote sollte hier seine Ruhe haben. Niemand durfte gestört werden und keiner den Ort der Magie entweihen.
Das genau hatte Montfour getan. Es war nicht seine Welt. Auch Hector de Valois würde nie zu einem Freund werden können. Er wollte nur die Leiche sehen und erfahren, ob Hector sein Versprechen von damals eingehalten hatte.
Er war davon überzeugt gewesen, zwar sterben, aber nicht verwesen zu müssen. Genau das mußte der Vampir herausfinden. Sonst hätte er keine ruhige Minute gehabt.
Und er wollte auch wissen, ob der Tote Hector de Valois noch im Besitz eines bestimmten Gegenstandes war, dem damals sein ganzer Stolz gehört hatte.
Es war ein geheimnisvolles, silbernes Kreuz gewesen. Allein der Gedanke daran ließ den Blutsauger aufstöhnen, denn er haßte die Kreuze mehr als alles andere auf der Welt. Weil er eben wußte, daß sie zu seiner endgültigen Vernichtung führen konnten.
Die nackte Gestalt streckte ihre Arme weit aus. Auch weit über ihr war der Spalt etwas breiter geworden. Dennoch floß das zittrige Mondlicht nicht hinab bis zum Grund. Es verharrte an den Innenwänden und hinterließ dort einen blassen Silberschein.
Montfour bewegte sich schneller, und schon nach wenigen Schritten nahm er den Umriß wahr, der sich vor ihm in der Dunkelheit dicht oberhalb des Bodens, aber mit ihm verbunden, abzeichnete.
Jacques wußte
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