1128 - Erbe des Fluchs
eingeleitet. Wie gut dies gewesen war, zeigte sich nun.
Er wußte, daß die Frau Angst hatte. Er spürte es. Er war so sensibel, um ihre Ausstrahlung zu spüren. Sie wußte nicht, was sie tun sollte. Einerseits wußte sie Bescheid und wollte weg, andererseits wollte sie ihren Mann nicht im Stich lassen, und so etwas kam dem Untoten zugute.
Mit lockeren Schritten bewegte er sich durch den Stall. Das Beil hielt er locker in der Hand. Das graue Haar schaukelte auf seinem Kopf, die Spitzen wippten auf den Schultern. Unterwegs wischte er das Blut von seinen Lippen, denn er wollte der Frau so gegenübertreten wie er es früher immer getan hatte. Stolz, männlich, romantisch und zugleich gefährlich.
Montfour erreichte die Tür des Hühnerstalls. Die Todesstille ließ er jetzt zurück. Er mußte ein paar Meter über den Hof bis zum Haus gehen.
Dort war die Frau. Er hatte ihren Namen einmal gehört. Sie hieß Suzanne. Das gefiel ihm. Er hatte in der Vergangenheit auch mal eine Suzanne gehabt. Ein junges Geschöpf. Tochter eines adeligen Paares. Sie hatte er im elterlichen Garten kennengelernt. Danach hatte er sie im nahen Pavillon verführt.
Die Luft war kühler geworden. Er spürte sie nicht. Hoch aufgerichtet blieb er für einen Moment vor der Tür stehen und drehte seinen Kopf etwas nach links.
In den Zimmern des Hauses brannten jetzt die Lichter. Sie strahlten gegen die Fenster, von denen sich jedes deutlich abhob, wie scharf in das Mauerwerk hineingeschnitten. Vor diesem Licht brauchte er sich nicht zu verbergen. Es stammte nicht von der verfluchten Sonne und besaß auch nicht deren Kraft.
Dem Blutsauger fiel die Veränderung am Haus auf. Auch das leise Geräusch war für ihn zu hören, als die Tür geöffnet wurde. Wenig später sah er, daß sich eine dunkle Gestalt in den Lichtstreifen hineinschob.
Es war die Frau…
Montfour blieb stehen. Er glaubte einfach nicht, daß für ihn alles so perfekt lief. Und so hallte sein erfreutes Lachen hinein in die Dunkelheit…
***
Das Gelächter war verstummt. Trotzdem hallte es in Suzannes Ohren noch nach. Es hatte sie irgendwie starr werden lassen. Sie erlebte die innerlichen Schübe der Angst, denen sie nicht ausweichen konnte. Das hier war etwas so Schlimmes, daß sie sich weigerte, darüber nachzudenken, es jedoch nicht verhindern konnte, denn sie hatte genau erkannt, woher diese verfluchte Person gekommen war. Aus dem Hühnerstall.
Wahnsinnige Angst um Albert erfaßte sie. Es konnte nicht sein, daß er die Auseinandersetzung gewonnen hatte. Irgendwie fühlte sich Suzanne auch mitschuldig. Sie hätte ihn nicht allein gehen lassen und mehr darauf dringen sollen, daß er im Haus blieb.
Jetzt war der Vampir da, und er kam auf sie zu!
Ihr war, als hätte die Dunkelheit die Gestalt besonders hervorgehoben. Sie zeichnete sich vor dem Hintergrund ab, und besser zu erkennen war das helle Gesicht. Sie kannte es von der vergangenen Nacht her, nur war der Unheimliche diesmal bekleidet.
Er sprach auch nicht. Das Gelächter hatte ihm gereicht, denn jetzt wußte sie Bescheid. Er bewegte sich lässig, weil er sich seiner Sache völlig sicher war.
Aber Suzanne wollte nicht zu seinem Opfer werden. Sie wollte ihr Blut nicht verlieren. Schon einmal hatte sie sich gegen dieses Monstrum verteidigen können, und der Wille, ihr Leben zu retten, schoß wieder in ihr hoch.
Sie war ein Mensch. Sie besaß zwei Hände und zwei Beine. Sie konnte sich damit verteidigen. Und sie wollte auf jeden Fall versuchen, an Waffen heranzukommen.
Er kam näher, gefährlich näher, und Suzanne fuhr herum, stolperte zurück ins Haus, hörte sich selbst schreien und wuchtete einen Moment später die Tür von innen wieder zu. Eine Flucht über den Hof bis zum Auto war nicht mehr möglich gewesen. Da hätte ihr der Vampir den Weg abschneiden können.
Sie schloß ab.
Es war eine automatische Bewegung, und sie wußte auch, daß es nicht viel brachte. Wenn der Vampir ins Haus kommen wollte, dann würde er es auch schaffen.
Für einen Moment lehnte sie sich gegen die Wand. Gegenüber hing ein Spiegel. Suzanne sah ihr Spiegelbild und kam sich fremd vor. Sie hatte sich erschreckend verändert. Ihr Gesicht wirkte aufgequollen, die weit aufgerissenen Augen waren durch die Angst gezeichnet.
Plötzlich haßte sie das Licht.
Wieder löste sich ein Schrei von ihren Lippen. Leiser als der draußen. Das Licht war nicht gut für sie. So konnte der Untote ihren Weg durch das Haus verfolgen, da brauchte er nur durch
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