1128 - Erbe des Fluchs
gesehen, der von Godwin als Stall bezeichnet worden war.
Auch hier draußen war ich auf der Hut, auch wenn ich die Beretta wieder weggesteckt hatte. Wenn nötig, konnte ich sie innerhalb von Sekunden ziehen.
Der Wind kam mir jetzt kälter vor. Vielleicht lag es auch an mir.
Im Haus war es wärmer gewesen, und so spürte ich die Kälte jetzt stärker.
Vampire sind schlau. Vampire können sich anpassen. Besonders dann, wenn sie satt sind und nicht so sehr von ihrer Blutgier getrieben werden. Das hatte ich alles erlebt, und ich kannte auch ihre schon überirdische Raffinesse. Das hatte ich leider oft genug bei Will Mallmann, alias Dracula II erlebt, diesem Super-Vampir, der König der Blutsauger, mein Todfeind, und durch den Besitz des Blutsteins resistent gegen geweihte Silberkugeln.
Es gab keine Geräusche in der näheren Umgebung.
Im und am Stall bewegte sich nichts. Er hob sich wie eine übergroße Streichholzschachtel vom dunklen Boden ab. Größere Fenster sah ich nicht, dafür die Eingangstür. Im Gegensatz zu der des Hauses war sie geschlossen und auch intakt.
Vor ihr blieb ich stehen. Ich wußte nicht, welche Tiere sich im Stall befanden. Es grunzten weder Schweine, noch muhten Kühe, und es gackerten auch keine Hühner.
Bevor ich die Tür öffnete, warf ich einen schnellen Blick in die Runde.
Ich hätte ihn mir sparen können. Niemand bewegte sich in meiner Nähe. Vom Haus her hörte ich ebenfalls nichts. Nur die erleuchteten Fenster schauten mich wie gelbrote und viereckige Augen an.
Die Stalltür ließ sich nur mühsam öffnen. Sie zerrte und schabte noch über den Boden hinweg, dann hatte ich freie Bahn.
Der Geruch war mir schon draußen aufgefallen. Jetzt – schon halb im Stall – nahm ich ihn direkt und intensiv wahr. Es kam mir vor, als würde er mir direkt ins Gesicht geweht. Er roch nach Hühnerkot, nach altem Stroh, nach Feuchtigkeit, und zudem herrschte eine dumpfe Wärme.
Im Dunkeln durch einen Hühnerstall zu gehen, gefiel mir nicht. Es wunderte mich, daß mein Erscheinen die Tiere nicht aufgeschreckt hatte. Sie lagen ruhig in ihren Legekästen, denn ihre Umrisse malten sich aus dem Stroh hervor ab.
Einen Lichtschalter hatte ich nicht gesehen, also verließ ich mich auf meine kleine Leuchte. Der Strahl erreichte den Boden vor mir, und ich zuckte zusammen, als ich den blutigen Rest und auch die feuchte Blutspur auf dem harten Lehm sah.
Blut paßte zu einem Vampir. Hier war es trotzdem anders. Der Kadaver gehörte einem toten Huhn. Ich leuchtete es genauer an und sah jetzt, daß der Körper regelrecht zerrissen und auch platt getrampelt worden war. Vom Huhn weg malte sich die Spur auf dem Boden ab.
Ich ahnte schon jetzt, daß dieser Hühnerstall nicht so normal war, wie er hätte sein sollen. Nach einem weiteren Schritt leuchtete ich nach rechts in die erste Box.
Dort lag das zweite Huhn!
Auch es bewegte sich nicht mehr. Man hatte es ebenfalls zerrissen.
Der Körper bestand aus zwei Teilen, die trotzdem wie ein einziger aussahen, als wären sie im Nachhinein zusammengeklebt worden.
Das Blut war aus den Wunden gelaufen und hatte das unter dem Huhn liegende Stroh genäßt. Mein Weg führte mich an die dritte, vierte und fünfte Box heran, und dort sah ich das Gleiche. Es gab keine lebendigen Hühner mehr in diesem Stall.
Der Vampir brauchte Blut.
Menschen waren ihm nicht über den Weg gelaufen. Deshalb hatte er die Hühner getötet und wahrscheinlich einen Teil ihres Blutes getrunken. Es konnte auch sein, daß er sich hier versteckt gehalten hatte, um auf seine normalen Opfer zu warten. Es bestand noch die geringe Chance, daß es den Petits gelungen war zu fliehen, doch daran glaubte ich nicht. Nein, hier war etwas anderes passiert.
An die Luft konnte ich mich nicht gewöhnen. Jetzt war sie von dem Gestank des Blutes überdeckt, den ich einfach als eklig empfand. Eigentlich wollte ich den Stall verlassen, doch mein Gefühl sprach dagegen. Ich griff in die Tasche der Lederjacke, in der das Kreuz steckte.
Diesmal hatte es sich erwärmt!
In der Nähe lauerte ein Feind!
Wahrscheinlich stand ich schon unter Beobachtung, aus diesem Grunde verhielt ich mich auch so wie zuvor. Keine Nervosität zeigen. Es blieb bei der gespannten Ruhe.
Die Stille war eine Belastung für mich. Es fiel mir schwer zu schauspielern und meine Bewegungen genau zu kontrollieren. Nur nicht auffällig werden.
Vor mir war es am dunkelsten.
Ich leuchtete noch nicht hin, aber der Gedanke, daß dort jemand
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