1128 - Erbe des Fluchs
nicht mehr möglich. Und von der Seite her näherten sich die weiblichen Vampire.
Zwei auf der rechten, drei auf der linken Seite des Throns. Wächter und Zeuginnen eines Bisses, der einen Menschen in ein Monster verwandeln würde.
Jacques Montfour war in seinem Element. Er stemmte seine Hände auf die vorderen Enden der beiden Lehnen und drückte Kopf und Oberkörper vor, um ihr sehr nahe zu sein.
Suzanne konnte nicht weiter zurück. Die hohe Lehne hinderte sie daran. Jetzt gab es nur sie und den Wiedergänger, der sich auf sein Mahl freute, und triumphierend grinste. Sie sah seine graue Zunge, die schlangengleich aus dem Mund zuckte und sich kreisend bewegte.
Vor mehr als zwei Jahrhunderten hatte er es geschafft, die Frauen auf eine derartige Weise zu faszinieren. Das war nach seiner Rückkehr auch nicht verlorengegangen, aber Suzanne Petit dachte jetzt anders darüber. Sie stand jetzt nicht mehr unter seinem Bann.
Er streichelte sie.
Ebenso hätte sie der Tod mit seiner Knochenklaue berühren können. In ihrem Körper zog sich alles zusammen, und sie erschauerte.
»Du bist schön«, sagte er. »Du bist einfach zu schön. Ich muß dich haben…«
Suzanne sagte nichts, sie war am Ende. Todesangst erfüllte sie. Sie nahm gar nicht richtig wahr, daß ihr Kleid zerrissen war, ihre nackten Brüste zu sehen waren und der Stoff auch über den Beinen weit nach oben gerutscht war. Das alles war in diesem Moment auch nebensächlich. Es gab nur noch den Blutsauger und damit auch die Angst vor einer schrecklichen Zukunft.
Mit beiden Händen faßte er sie an. Er wollte beim Biß nicht auf die breite Sitzfläche klettern. Deshalb zog er den steifen Frauenkörper an sich.
Suzanne hatte sich in ihr Schicksal ergeben. Er war zu stark, und seine alten Bräute schauten zu.
»Reif bist du!« flüsterte er. »Reif für den Blutbiß!«
So schlimm die Worte auch waren, sie stimmten. Noch einmal sah sie das Leuchten in seinen Augen, dann packte er zu und hob sie etwas an. Seine Kraft war mit der eines Menschen nicht zu vergleichen. Bei ihm klappte alles mit einer gewissen Leichtigkeit. Suzanne konnte ihm nichts entgegensetzen. Sie schloß die Augen. Das tat sie auch, wenn sie eine Spritze beim Arzt bekam. Suzanne wollte dieses Gesicht nicht mehr sehen.
Noch ein Ruck.
Eine Drehung des Kopfes, dann war ihre Haltung für ihn perfekt.
Er öffnete seinen Mund weit, er wollte jeden Tropfen mitbekommen, aber es kam nicht dazu.
Der Vampir hörte die Stimme:
»Laß sie los, Montfour!«
***
Es war mir bestimmt nicht leichtgefallen, den Weg ungesehen zurückzulegen. Das Feuer hatte mir zwar den Weg gewiesen, aber um mich herum war es dunkel. Eine Ruine ist nicht so glatt wie ein Fußballfeld. So mußte ich Umwege gehen, bekam jedoch auch Gelegenheit, hinter Mauerresten Deckung zu finden.
Godwin de Salier war verschwunden. Er suchte einen anderen Weg, und ich vertraute ihm. Er war ein Kämpfer, der mir bestimmt Rückendeckung geben konnte, deshalb vergaß ich ihn.
Nicht vergessen konnte ich die schrecklichen Gestalten, die sich zwischen den Feuern bewegten. Schon beim ersten Blick fiel mir auf, daß es keine normalen Menschen waren. Montfour hatte es tatsächlich geschafft und die alten Bräute aus der Tiefe der Erde hervorgeholt, um seinen Schutz zu haben. Sie gingen schwankend, denn sie mußten sich zunächst an das neue Dasein gewöhnen. Ich unterschätzte sie keinesfalls. Sobald sie Blut rochen, und das war das meine, würden sie sich wie ausgehungerte Ratten auf mich stürzen. Das Kreuz »brannte«! Immer wenn ich mit der Hand darüber hinwegstrich, spürte ich seine Hitze. Es reagierte auf das Böse, das sich in dieser Gegend auf dem verfallenen Burghof versammelt hatte. Es lag hier kompakt wie ein dichter Schleier, in den ich hineinging.
Ich hatte noch mitbekommen, wie der Vampir sein Opfer zu einem Thron geschleift hatte. Die Frau mit den langen Haaren mußte Suzanne Petit sein. De Salier hatte sie mir kurz beschrieben. Ich erinnerte mich, daß seine Augen dabei geglänzt hatten und seine Stimme weicher als normal geklungen hatte.
Er schien Suzanne zu mögen. Ich mußte sie einfach befreien. Es reichte aus, daß ihr Mann von diesem verdammten Schicksal erwischt worden war.
Sie saß auf dem Thron. Ich konnte es sehen, da ich mich von der Seite her näherte. Zwischen dem Thron und mir hielten sich die beiden alten, blutleeren Gestalten auf, die für mich zunächst einmal nicht wichtig waren.
Ich schlich langsam
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