1128 - Erbe des Fluchs
dieser Antwort schwieg ich. Es war mir unvorstellbar, daß der Vampir untätig geblieben war. Ich nahm an, daß er sie längst angefallen und ihr Blut getrunken hatte. Auszusprechen brauchte ich es nicht, denn de Salier verfolgte sicherlich die gleichen Gedanken wie ich.
Ich sah, wie Godwin etwas unruhig wurde, durch die Scheiben schaute und versuchte, sich in der Dunkelheit zu orientieren.
»Wir müßten gleich dort sein«, sagte er.
»Okay, sag den Weg!«
»Verdammt!« Er zischte das Wort und alarmierte mich damit.
»Man kann es sehen, glaube ich zumindest. Schau mal nach rechts und…«
Ich hatte schon hingesehen, und meine Augen weiteten sich. Bisher waren wir nicht eben von der Dunkelheit angetan gewesen, sie hatte mehr versteckt als gezeigt, aber in diesem Fall erwies sie sich auch als großer Vorteil.
Rechts der Straße, zwischen den Hügeln – ob nah oder weit, war nicht genau zu erkennen – sahen wir rötlichen Schein, der über die Gegend hinweg floß. Er blieb zwar an einer Stelle, schien sich aber zu bewegen. Manchmal sahen wir ihn deutlicher, dann wiederum wurde uns von der Landschaft der Blick darauf genommen.
Ich hielt an, als ich den rötlichen Schein besonders deutlich sah.
Auszusteigen brauchte ich nicht. Ich konnte an Godwin vorbei schauen, und bevor ich eine Frage stellte, gab er mir schon die Antwort.
»Das Feuer ist ungefähr dort aufgeflackert, wo wir auch hin müssen. Da in etwa liegen die Ruinen.«
»Sehr gut. Was ist mit dem Weg dorthin?«
»Es führt gleich einer nach rechts. Über ihn kannst du auch bis Camon fahren. Nur ist der Ort nicht zu sehen. Seine Lichter werden durch die Hügel verborgen, aber der Schein müßte dort sein, wo sich die Ruine befindet.«
»Kannst du dir schon einen Grund vorstellen?«
»Nein.«
»Ich auch nicht, Godwin, aber den werden wir bald herausfinden.«
Ich startete wieder, und der Templer berührte mich kurz am Arm.
»Nichts überstürzen, John. Montfour ist gefährlich. Das hat er bewiesen, und ich glaube, daß er nicht nur einen Trumpf in der Hinterhand hält.«
Egal, was Godwin auch zu sagen hatte, ich war endlich von einem gewissen Jagdfieber gepackt worden…
***
Schlagartig veränderte sich Suzanne Petit. Sie saß noch immer auf diesem verdammten Thron, doch ihr war, als hätte sie aus dem Unsichtbaren hervor einen harten Stoß bekommen, der sie nicht nur äußerlich, sondern mehr noch innerlich erschüttert hatte.
Da war das Tuch von ihrem Bewußtsein weg gerissen worden. Sie war wieder in der Lage, klar und nüchtern zu denken. Der Bann des Vampirs hatte sich gelöst. Plötzlich sah sie alles klar, und sie merkte jetzt auch, in welcher Lage sie sich befand.
Das Feuer, die Dunkelheit dahinter und dazwischen. Das alte Gemäuer, über dessen Steine der Widerschein huschte und den Ruinen so etwas wie ein Eigenleben gab. Dieser Ort war nicht nur schaurig, er war einfach entsetzlich. Es war ein Platz zum Sterben.
Sterben?
Sie wollte nicht sterben. Es sollte ihr nicht so ergehen wie ihrem Mann. Sie hatte ihn nicht gesehen, aber sie wußte mit einer erschreckenden Intensität, daß er tot war. Das hatte ihr vorhin nichts ausgemacht, aber jetzt sah sie alles klarer, und als sie den Kopf leicht nach links bewegte, da sah sie die Gestalt, die für alles verantwortlich war.
Die Gestalt in der Kutte!
Es war Montfour. Er hatte seine Hände in die weiten Öffnungen der Ärmel geschoben und stand starr da. Über sein Gesicht huschte mal das helle Flackerlicht, dann geisterten die Schatten darüber hinweg. Sie machten es zu einer Grimasse, da hätte er gar nicht seine obere Zahnreihe zeigen müssen, bei der zwei Zähne so prägnant waren.
Suzanne wußte, was ihr bevorstand. Ein Vampir lebte vom warmen und frischen Blut seiner Opfer. Sie war das Opfer. Sie würde den tödlichen Biß bekommen. Er hatte sie auf seinen Thron gesetzt, denn er wollte sie zu seiner Braut machen.
Auf einem Thron zwischen Ruinen zu sitzen, kam ihr vor wie ein Hohn. Sie war hier keine Königin, sie war das glatte Gegenteil davon. Ein Opfer, das der Vampir mit seinen kalten Blicken betrachtete. Dabei kam er auf sie zu. Die Blicke glitten weiterhin über ihren Körper hinweg, und sie kam sich irgendwie nackt vor. Entblößt.
Nicht nur vom körperlichen her, auch von der Seele her. Sie gestand sich ein, daß diese Gestalt Macht über sie bekommen hatte. Da konnte sie unternehmen, was sie wollte, er war immer stärker.
Erst als er sie fast erreicht hatte, blieb er
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