1134 - Im Innern einer Sonne
Katastrophe über die Kunstwelt hereinbrach.
Wenn damit auch keine von Gordanas Fragen gelöst war, fühlte sie sich doch erleichtert, wie von einer zentnerschweren seelischen Last befreit. Erst jetzt gelang es ihr, alle Eindrücke aus dem nüchternanalytischen Blickwinkel der Wissenschaftlerin zu verarbeiten. Ihre Beklemmungen schwanden. Das zweite, das berufliche Ich gewann die Oberhand.
„Keine Wärme- oder Energieabgabe", konstatierte sie, nachdem sie die Anzeigen im Innern des Raumhelms eine Weile studiert hatte. „Die Geräte, die hier installiert sind, arbeiten nicht."
„Aber sie funktionieren!" behauptete Icho Tolot und legte eine Hand auf die Kontaktfläche eines Terminals.
Gordana trat neben ihn. Sie bückte sich und führte den Kopf dicht vor die Sichtscheibe des Geräts, während sie die Hände flach an die Seite des Helmes hielt, um das grelle Licht notdürftig abzuschirmen. Auf dem Bildschirm flirrten Leuchtzeichen in einer fremden Schrift.
„Tatsächlich", sagte sie verblüfft. „Sie funktionieren noch."
„Kein Wunder", meinte der Haluter. „Die Erbauer dieser Welt kannten nicht nur die Raumfahrt, sie waren auch in der Lage, im Innern der Sonne eine neutrale Zone zu schaffen. Ihre Technik ist hochwertig. Auch die Anlagen zur Erzeugung der Kraftlinien sind noch funktionstüchtig, und wer weiß, wie lange schon. Ich nehme an, daß hier alles wartungsfrei ist - konstruiert für Jahrtausende."
Unwillkürlich rann der Wissenschaftlerin bei diesen Worten ein kalter Schauer über den Rücken. Der Raumhafen, den sie überquert hatten, und die Halle, in der sie jetzt standen, waren verlassen. Gordana zweifelte nicht mehr daran, daß sich nirgendwo auf dieser künstlichen Hohlwelt ein anderes Bild ergeben würde. Die Erbauer hatten ihr grandioses Werk sich selbst überlassen und waren verschwunden, bevor die Katastrophe hereinbrach. Vielleicht hatten sie damit ihre Existenz gerettet.
Aber irgendwo in dieser Theorie, das merkte Gordana, steckte ein Fehler. Etwas hatte sie nicht bedacht oder klammerte es unbewußt aus - etwas Entscheidendes. Auf den Häfen standen Raumschiffe zu Tausenden, startbereit vermutlich. Die Fremden hatten sie nicht benutzt, als sie flohen. Warum nicht? Wie konnten sie ohne Schiffe den Rückzug antreten? Und, vor allem - wohin waren sie gegangen ...?
4.
Es hatte Ärger gegeben. Natürlich auch mit Nrla, wie immer, aber das war nichts Neues, es passierte zu oft, um sich noch darüber aufzuhalten, und fügte sich längst in den Rahmen der bekannten Alltäglichkeiten ein. Nein, was Forrler viel mehr aufbrachte, war das abweisende und mitunter aufmüpfige Verhalten, das Llrrt neuerdings pflegte. Immer öfter hielt das Silkrinum ihm vor, er sei faul, träge und motivationslos, er lasse sich bedienen und umsorgen, ohne selbst eine seiner vier Hände zu rühren, und hielte sich ansonsten für den Silkrin der Silkrinen. Es lasse sich diese Behandlung nicht länger gefallen und erwarte von ihm, daß er seine Einstellung nicht nur überdächte, sondern auch tatsächlich ändere.
Hatte Forrler für solche Emanzipationsbestrebungen anfangs noch ein gewisses Verständnis aufbringen können, so gingen sie ihm nach einiger Zeit mehr und mehr auf die Nerven. Er fühlte sich in seiner Ehre gekränkt und in seiner Männlichkeit verletzt und reagierte dementsprechend ruppig. Als er dann gestern beim Abendessen verkündete, er werde den geplanten Besuch beim Altweisen Mrnck alleine durchführen, um nicht aus falscher Rücksichtnahme auf Llrrt wieder Geschichten zu hören, die er längst kannte - da brach der Damm endgültig, den das Silkrinum vor seine unterdrückten Aggressionen gelegt hatte. Es beschimpfte Forrler auf übelste Weise, hielt ihm vor, ein falsches Spiel getrieben zu haben und es bewußt zu täuschen und zu hintergehen. Es kündigte sogar an, demnächst die Sachen zu packen und ihn und Nrla zu verlassen.
Das brachte Forrler noch mehr in Rage. Er wurde seinerseits ausfallend und schaukelte den Streit damit immer höher. Die Nacht schlief er unruhig, und der Morgen peitschte seinen Arger abermals auf, als er merkte, daß Llrrt ihm keinerlei Beachtung schenkte und sich sogar weigerte, ein Frühstück zuzubereiten.
Den Weg zum Altweisen trat er schließlich mit leerem Magen und gehörigem Zorn an.
Die Stille der Gebirgsnatur und die wildromantische Schönheit dieser Landschaft vermochten ihn auch nicht aufzuheitern. Manchmal ertappte er sich sogar dabei, wie er wütend
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