1134 - Im Innern einer Sonne
vorangetrieben, wurde plötzlich zu ihrem Unternehmen.
„Tut mir einen Gefallen", meldete sich Tanwalzen aus der PRÄSIDENT zu Wort, „und laßt Ürkan als Wache zurück, wenn ihr euch dem Schacht anvertraut. Ich weiß, bei euch geht es ruhig und friedlich zu, es gibt keine Abwehranlagen und keine Angreifer. Trotzdem solltet ihr nicht leichtsinnig werden. Für den Fall der Fälle müßt ihr euch den Rücken freihalten."
„Alles „klar", erwiderte Icho Tolot, „wir sehen es ein. Ürkan bleibt hier und paßt auf."
Der Armadamonteur enthielt sich jeden Kommentars. Er schwebte still an einem Fleck und rührte sich nicht.
„Hast du das verstanden, Ürkan?" hakte der Haluter nach. „Keiner glaubt, daß hier etwas Ungewöhnliches geschehen könnte - aber wenn etwas passiert, muß unter allen Umständen dieser Schacht geschützt und freigehalten werden."
Demonstrativ drehte sich der Roboter einmal um sich selbst. Gleichzeitig hob er langsam die Waffenarme.
„Verstanden."
Gordana grinste und trat an den Rand des Schachtes. Diesmal war sie auf den Blick in die Tiefe vorbereitet. Das Schwindelgefühl, das sie vorhin überrascht hatte, blieb aus. In der Wand der Röhre erkannte sie senkrechte und waagerechte Stahlbügel, die offenbar als Kletterhilfen vorgesehen waren, falls das Antigravfeld einmal ausfiel. (Wenn dies während des Hinabschwebens geschah, dachte sie sarkastisch, nützten die Bügel natürlich überhaupt nichts. Sie würde abstürzen, bevor sie einen davon zu fassen bekam.) In Abständen von jeweils fünfzig Metern ragten schmale Plattformen in den Schacht hinein. Gordana nahm an, daß diese den Zugang zu tiefer gelegenen Ebenen markierten, die ihrerseits technisches Gerät beherbergten. Beim manuellen Auf- oder Abstieg über eine größere Distanz waren sie außerdem zum Ausruhen und Verschnaufen unerläßlich.
Die Wissenschaftlerin zögerte nicht lange. Tolots Aussage, es mit einem funktionierenden Antigravlift zu tun zu haben, genügte ihr. Sie nahm allen Mut zusammen, wischte die letzten aufkeimenden Bedenken zur Seite...
... und sprang.
Es war, als falle sie auf ein weiches Polster, das unter ihrem Gewicht leicht einsank. Sie schwebte wie auf Watte Meter um Meter in die Tiefe. Zunächst hatte sie ihren Körper nicht unter Kontrolle, sie ruderte fast hilflos mit Armen und Beinen. Erst nach einiger Zeit fand sie die richtige Methode, durch gezielte und vorsichtig dosierte Bewegungen ihre Lage so zu verändern, daß keine Orientierungs- und Gleichgewichtsstörungen mehr auftraten. Mit dem Kopf nach oben und den Füßen nach unten, parallel zur Schachtwand, sank sie weiter hinab.
Sie passierte die erste Plattform und warf einen forschenden Blick in die dahinter beginnende Ebene. Es war eine offene Fläche, also nicht durch Korridore oder Trennschotte aufgegliedert, durch die sich an verschiedenen Stellen tragende und stützende Säulen zogen. Überall ragten Maschinen, Aggregate und sonstige Installationen aus dem Boden, von fremdartigem Aussehen und unbekannter Funktion. Wie Gordana vermutet hatte, setzte sich die hochtechnisierte und unbelebte Welt der Oberfläche in den unteren Etagen des Kugelinnern fort.
Die Wissenschaftlerin legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf, wo Icho Tolot sich jetzt ebenfalls dem Schacht anvertraute. Der Haluter hatte mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, bis es ihm nach einigen Versuchen gelang, die Körperachse in die gewünschte Position zu bringen. Infolge seines höheren Gewichts fiel er etwas schneller als Gordana, wenn auch immer noch relativ gemächlich. Beizeiten würde er zu ihr aufschließen und sie überholen.
Die nächsten Ebenen, an denen sie vorbeischwebte, unterschieden sich in nichts von der jeweils vorhergehenden. Sie alle waren mit technischem Gerät überladen, das fast lautlos und ohne Nebengeräusche seine unterschiedlichen Funktionen erfüllte.
Irgendwann hörte Gordana auf, die Plattformen zu zählen. Mehr und mehr richtete sich ihr Interesse nach unten, immer öfter fragte sie sich, was sie am Ende des Schachtes wirklich erwartete. Knapp fünfzehn Kilometer waren zurückzulegen - bei der geringen Geschwindigkeit, mit der sie fielen, würden sie demnach fast vier Stunden unterwegs sein, bevor sie den hohlen Innenraum der Kunstwelt erreichten.
Dann begann der eigentlich entscheidende Teil ihrer Mission - und womöglich auch der gefährliche.
Denn dort, davon war Gordana mittlerweile fest überzeugt, würden sie mit dem Volk der
Weitere Kostenlose Bücher