1135 - Cathys Friedhof
wie?«
»Das kann ich nicht abstreiten.«
Ihre Arme hatten bisher auf den Sessellehnen gelegen. Jetzt hob sie die Hände an und breitete die Arme aus. »Was wolltest du von mir? Mich buchen?«
Eine Fangfrage, denn daran glaubte sie selbst nicht. Ich log sie auch nicht an, sondern sprach davon, daß ich auf der Suche nach einer vierfachen Mörderin war.
»Oh, das ist etwas Besonderes. Dann kann ich dich als einen Polizisten ansehen.«
»Kannst du.«
»Du gehst davon aus, daß ich die Menschen umgebracht habe. Die Männer, denn ich nehme an, daß es Männer waren.«
»Waren sie.«
»Traust du es mir zu?« Sie setzte sich aufrechter hin. »Traust du mir zu, daß ich vier Morde begangen habe? Warum hätte ich das tun sollen?«
»Das würde ich gern von dir wissen.«
»Du hältst mich also für die Täterin?«
»In der Tat.«
»Was ist, wenn ich dir sage, daß ich es gewesen bin und es trotzdem nicht war?«
»Dann hätte ich einen Erklärungs-Notstand, den ich mit logischem Denken nicht ausfüllen kann.«
»Das macht mich fast glücklich.«
»Mich weniger.«
»Kann ich mir denken«, gab sie zu und legte den Kopf schief, um mich von der Seite her anzuschauen. »Irgendwo muß ich dir ein Kompliment machen, John. Du hast den Weg gefunden, aber vielleicht war es auch eine Fügung des Schicksals. Ja, so muß es einfach gewesen sein.«
»Sorry, aber das verstehe ich nicht.«
»Wirst du gleich, keine Sorge. Ich freue mich, daß du hier bist. Du hast mich ja nicht gemietet. Einer wollte mich sogar heiraten.« Sie lachte. »Es war der letzte, verstehst du?«
»Nein.«
»Hier vor dem Haus. Oder nicht weit entfernt. Auf dem Friedhof. Er hieß Bernie Slade. Er war nicht schwul wie die anderen, die mich aus bestimmten Gründen gemietet haben. Und es war wirklich ein Zufall, daß die letzte Tat hier passierte. Hier im Camdon House. Hier bei mir. In meiner Umgebung. Damit hätte ich nicht rechnen können, aber ich bin auch nicht böse darum.«
»Dann hast du sie also getötet?«
Nach diesem Satz verhärtete sich ihr Gesicht. Auch der Blick wurde ein anderer. »Es kann sein, daß ich es gewesen bin. Aber manchmal sind die Menschen nicht das, als was man sie sieht. Das solltest du nicht vergessen.«
»Dann kann ich davon ausgehen, daß du nicht nur Cathy bist, sondern auch Lady Catherine Camdon?«
Cathy sagte nichts. Sie schaute mich an. Sie lächelte. Sie verdrehte dabei die Augen und flüsterte schließlich: »Ist das nicht eine faszinierende Vorstellung?« Ihre Stimme wurde lauter. »Wahnsinn, einfach Wahnsinn, so etwas zu sein.«
»Ja oder nein?«
»Was möchtest du denn hören?«
»Nur die Wahrheit.«
»Oh, sie kann kompliziert sein. Sogar für mich, denn man darf nicht vergessen, daß Lady Catherine Camdon eine faszinierende Person war. Sie stach alle Camdons aus. Sie war es, die dem Haus damals hier den nötigen Glanz gab. Ihre Feste waren berühmt. Die Gesellschaft vergötterte sie, und sie war so etwas wie eine sehr lebenslustige Frau. Sie liebte nicht nur sich selbst, sondern auch die Männer, die ihr zu Füßen lagen. Sie spielte mit ihnen. Sie lud sie ein. Manchmal zu zweit, manchmal allein. Sie trieb es mit ihnen im Schloß und auch im Park, wie du sicherlich auf dem Bild draußen gesehen hast. Sie liebte Frauen, sie liebte Männer, sie liebte das Leben an sich.«
»Liebte man auch sie?«
»Das war unterschiedlich. Die meisten Frauen weniger, aber sie konnten nicht aus ihren gesellschaftlichen Zwängen heraus. Sie mußten die Feste mitfeiern, und sie sahen oft zu, wie Catherine sie düpierte. Es muß eine tolle Zeit gewesen sein. Und Catherine war wie eine Saugerin. Ja, auf ihre Art glich sie einem Vampir. Sie nahm sich das Leben der anderen. Ganz einfach.«
»Durch einen Kuß?«
»Genau, John, durch einen Kuß. Durch das Saugen. Sie holte sich das Leben, sie wollte die Menschen schmecken. Während sie starben, erhielt Lady Catherine ihre Befriedigung. Heute würde man sagen, daß sie eine Mörderin mit dem Gesicht einer Madonna gewesen ist…«
»Wie nannte man sie damals?«
»Lady Catherine. Niemand wagte es, ihr etwas nachzusagen, denn man hatte Angst vor ihr.«
»Auch sie konnte nicht ewig leben«, sagte ich und setzte die nächste Frage nach. »Wie starb sie?«
Cathy zeigte sich überrascht. »Starb, fragst du? Meinst du, daß sie gestorben ist?«
»Ich gehe mal davon aus, obwohl es noch eine andere Möglichkeit gibt…« Die genaue Beschreibung ließ ich offen, denn ich sah, daß
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