1135 - Cathys Friedhof
ihrem Stuhl entfernt. »Es war ihr Zimmer«, sagte sie. »Hier hat sich Lady Catherine am wohlsten gefühlt, und ich fühle mich ebenfalls so wunderbar. Dieses Zimmer hat viel gesehen, was selbst einem Marquis de Sade zur Ehre gereicht hätte. Ja, sie war berühmt und auch berüchtigt, die gute Frau. Ich werde es auch werden, denn ich spüre sie in mir. Verstehst du das?«
»Ich habe sie gesehen.«
»Klar, auf dem Bild.«
»Nicht nur, Cathy. Es war auch ein feinstofflicher Körper in meiner Nähe. Die Menschen in der Umgebung hier haben recht, wenn sie von einem Spuk sprechen. Es gibt ihn tatsächlich. Aber ich hasse diese Gestalten, die keine Ruhe finden können.«
»Sie hat Ruhe gefunden.«
»In dir?«
»Wo sonst? Sie mag dich. Sie mag starke Männer. Sie liebt es, wenn sie die Herren der Schöpfung besiegen kann. Und ich liebe es auch. Ich war die Spinne, die nur zu lauern brauchte. Meine Beute hat sich immer in meinem Netz verfangen.«
»Deshalb der Job bei der Agentur.«
»Ich brauchte das Leben.«
»Oder brauchte Catherine es?«
»Wir brauchen es beide. Und jetzt wollen wir beide, daß du mich küßt, John.«
Klar, darauf lief alles hinaus. Sie war eine attraktive Frau. Unter anderen Umständen hätte ich mich nicht geweigert, aber sie war auch eine verdammte Mörderin, die es mit allen Tricks versuchte.
Nahezu gelassen knöpfte sie ihre Kostümjacke auf. Schon als die beiden Hälften nur wenig zur Seite geklappt waren, erkannte ich, daß sie darunter nichts trug.
Ihre Brüste schaukelten leicht beim Gehen. Ich wurde wieder an das Bild erinnert und ließ sie kommen. Ihre Augen zeigten einen verhangenen Blick, aber dahinter oder darin schimmerte es, als gäbe des dort eine grünliche Schicht aus Eis.
»Catherine ist nicht gestorben, sondern nur gegangen«, wiederholte Cathy mit Nachdruck.
Dann war sie bei mir.
Ich tat nichts. Ich wußte, daß sie die Initiative ergreifen würde, und stellte mich darauf ein.
»Diesen Kuß hast du noch nie erlebt, John. Es ist einer, der dich in alle Höhen führt, aber auch zu mir hinreißen wird. Wir beide wollen Leben, verstehst du? Wir sind die Spinnen, und Camdon House ist unser Netz.«
Dann schnappte sie nach mir. Und sie tat es wirklich so schnell, daß ich nicht reagieren konnte.
Unsere Körper prallten zusammen. Cathy wollte mich einklemmen, aber ich konnte meinen rechten Arm zur Seite strecken.
Noch starrten wir uns in die Augen. Nur für einen kurzen Moment, der mir ausreichte.
Ich riß meinen rechten Arm hoch, drehte die Hand und brachte das Kreuz in Mundhöhe zwischen ihrem und meinem Gesicht.
Cathy konnte nicht mehr stoppen.
So trafen ihre Lippen nicht meinen Mund, sondern das Kreuz!
***
Tanner war eigentlich immer brummig. Das gehörte zu seinem Image, das er so nach außen trug.
Innerlich sah es bei ihm anders aus. Er war der Mann mit dem weichen Herzen. Er hatte für vieles Verständnis, er und seine Frau engagierten sich auch sozial, ohne daß sie großes Aufhebens darüber machten, und auch für die Familie waren sie da, obwohl sie beide keine Kinder hatten. Dafür aber Nichten.
Aber auch für den Chief Inspector gab es Grenzen. Eine dieser Grenzen war am frühen Abend erreicht, als sich das Licht des Tages verabschiedete.
Suko und er hatten die unteren Räume des Hauses durchsucht und waren von ihrer Größe überrascht worden. Man hatte umgebaut, Wände herausgerissen und die Räume vergrößert, damit hier große Veranstaltungen und Feste durchgeführt werden konnten.
Tische, Stühle, Konsolen - es gab eigentlich alles, was dazu nötig war. Nur keine Menschen.
Tanner und Suko hatten auch einen Seitenausgang entdeckt und waren vor ihm stehengeblieben. In der Umgebung war es recht kühl. Da dampfte der Atem vor ihren Lippen, wenn sie sprachen und sich darüber beschwerten, daß die Zeit vergeudet war.
»Soll ich ein Fazit ziehen, Suko?«
»Bitte.«
Tanner schlug in seine linke Handfläche. »Das ist ein verdammter Flop gewesen. Nichts anderes. Nur eine Pleite. Man hat uns verarscht, wie auch immer.«
»Du vergißt, John«, gab Suko zu bedenken.
»Nein, habe ich nicht. Hätte er Erfolg gehabt, dann wüßten wir es. So sehen wir bescheiden aus.«
Das konnte stimmen, mußte aber nicht. Suko sah die Dinge etwas anders. Es konnte auch daher stammen, daß er mit Fällen zu tun hatte, die sich von denen des Chief Inspectors unterschieden.
Tanner war Realist. Er mußte so vorgehen. Er glaubte zudem nur an das, was er mit eigenen
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