1141 - Die Königin von Avalon
bildeten unterschiedliche Größen und auch Farben. Sie verstreuten sich unter dem unendlich erscheinenden Blau wie von einem Maler geschaffen, der sein Motiv in ständiger Bewegung wissen wollte und sich dabei den Wind als Partner ausgesucht hatte.
Suko und ich sprachen kein Wort, während wir uns dem Tor näherten. Wir hatten das nicht abgemacht. Es war einfach über uns gekommen, denn wir wollten uns durch nichts ablenken lassen und die Gedanken auf das konzentrieren, was vor uns lag.
Die breiten Stufen. Eingebettet in den Hügel und den grasigen Boden. Durch den Wind blank gefegt, denn kein einziges Blatt wehte mehr um unsere Füße.
Trotz seiner Größe wirkte das Tor unter der Weite des Himmels ein wenig verloren, und wie immer schimmerten seine Mauern gelbgrau.
Die letzte Stufe lag vor uns.
Suko blieb etwas zurück. Er wusste, dass ich diesem Tor enger verbunden war als er. Ich ließ sie hinter mir und schaute auf die ebenfalls gelbliche Fläche zu meinen Füßen, denn dort war der Rasen verschwunden.
Die Erde sah nicht verbrannt aus. Sie war normal, sie war hart und auch von den zahlreichen Spuren der Besucher gezeichnet, die sich immer wieder in die Nähe des Tors wagten.
Der Eingang lag genau vor mir.
Ich schaute hindurch. Auf der anderen Seite erwartete mich die gleiche Umgebung mit dem gleichen Himmel. Es gab keinen Hinweis auf die magische Kraft zwischen den Wänden. Um meine Ohren herum hörte ich auch nur das leise Singen des Windes.
Hinter mir hörte ich Sukos Stimme. »Willst du als erster hineingehen?«
»Nein, lass uns gemeinsam…«
»Ich möchte es nicht.«
»Warum?« Nach dieser Frage drehte ich mich um und sah, wie Suko die Achseln zuckte.
»Avalon gehört dir. Es ist nicht meine Welt, John, und es besteht auch kein Notfall.«
»Ähm - was soll das heißen?«
»Dass ich auf dich warten werde. Kommst du zurück, werde ich dich empfangen. Ich werde dir auch, wenn du so willst, den Rücken frei halten. In Avalon könnte ich dir nicht helfen. Es ist keine Insel für mich. Du gehörst eher zu diesem Land, denn du wirst dort auch Freunde treffen. Grüße Nadine Berger von mir.«
Ich ließ mir Sukos Worte durch den Kopf gehen. Sie gefielen mir nicht. Ich hätte ihn gern an meiner Seite gehabt, aber ich wusste auch, dass er sich nicht umstimmen lassen wollte, wenn er sich einmal zu etwas entschlossen hatte.
»Ja, Alter«, sagte ich leise, »das verstehe ich sogar.«
»Dann geh. Viel Glück.«
»Ich bin bald wieder da.«
Er lächelte. »Bestimmt. Und sollten Männer mit dem Namen X-Ray hier erscheinen, weiß ich auch, was ich zu tun habe.«
Ich wusste, dass ich mich auf meinen Freund verlassen konnte. Bevor ich ging, schaute ich noch einmal zum Himmel, an dem sich keine Sonne abmalte. Der kühle Wind wehte mir weiterhin aus den Wolkenbergen entgegen und umschmeichelte das mächtige Tor wie schon seit Jahrhunderten.
Ich hatte auf dem Weg nach oben das Kreuz in die Tasche gesteckt und holte es jetzt hervor, als ich mich in Bewegung setzte und den ersten Schritt ging, der mich in das Tor hineinführte.
Im Prinzip war der Begriff Tor für dieses Bauwerk nicht richtig. Es passte mehr das Wort Turm, denn ich konnte hineingehen wie in einen nach beiden Seiten offenen Turm.
Einige Meter ließ man mir, so dass ich mir vorkam wie in einem kurzen, jedoch hellen Tunnel.
Ob mich das andere Gefühl tatsächlich überkam, oder ob ich es mir nur einbildete, wusste ich nicht.
Es rann schon ein Schauer oder ein Kribbeln über meine Haut, als die Schuhe den sagenumwobenen Boden berührten. Hier stand ich an der Schwelle zwischen der Wirklichkeit und dem Land der Legenden, wobei ich oft genug erlebt hatte, wie sehr Legenden mit der Realität übereinstimmten.
Beim Aufsetzen der Schritte glitt ich hinein in die normale und trotzdem fremde Welt. Es hatte sich seit meinem letzten Besuch nichts verändert, und die andere Seite erwartete mich wie mit geöffneten Armen.
Bis dorthin wollte ich nicht. Immer, wenn ich die Insel besucht hatte, war ich so weit nie gegangen, und das musste auch jetzt so sein. Ich blieb auf der Hälfte der Strecke stehen. Dann drehte ich mich um und schaute den Weg zurück.
Suko hatte sein Versprechen gehalten und wartete dort auf mich, wo ich ihn verlassen hatte. Er sah mich auch und winkte mir zu. Diese Bewegung bekam ich noch klar und deutlich mit. Sekunden später aber sah es schon anders aus. Da überkam mich der Eindruck, als wäre ein feiner Nebel aufgekommen, der
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