1143 - Grabmal des Grauens
weißt ja, wie das heute bei den jungen Leuten ist. Danach geht es noch irgendwo hin. Dann wird es immer nach Mitternacht, bis der Herr Sohn hier erscheint.«
»Reg dich nicht auf, Sheila. Dein Mann und ich waren früher nicht anders.«
»Ja, das glaube ich.«
Endlich meldete sich der Apparat. Obwohl ich nicht der Hausherr war, hob ich ab - und hörte die Stimme des Kollegen, mit dem ich schon vorhin gesprochen hatte.
»Typisch, Sinclair«, sagte er.
»Wieso? Was macht Sie so happy?«
»Nun ja, da scheinen Sie wieder mal in ein Wespennest gestochen zu haben, was die Familie Hopper angeht.«
»Sie ist also bekannt.«
»Ja, besonders ein Gerald Hopper. Das war ein Typ, der durchgedreht hat. Er ist plötzlich auf seine Familie losgegangen und hat drei von ihnen getötet. Seine beiden Brüder und einen Schwager. Und das mit einem Henkerbeil.«
»Wie schön.«
Der Kollege lachte. »Ich liebe Ihren Spott. Davon abgesehen, John, den Mörder gibt es nicht mehr. Der sitzt nicht im Knast. Er ist bei seiner Verhaftung erschossen worden.«
»Interessant. Mal eine andere Frage. Wann ist diese Tragödie denn passiert?«
»Vor mehr als zehn Jahren.«
»Dann gibt es noch die Protokolle?«
»Gewisse Dinge weiß ich auch, Mr. Sinclair.«
»Ich höre.«
»Hopper hat während der Taten immer davon gesprochen, dass er alles nur im Namen der Hölle tut. Er hätte von einer höheren Macht den Auftrag bekommen, die Unreinen aus seiner Familie zu vernichten. Glücklicherweise hat er nicht alle getötet.«
»Dann gibt es noch Hoppers?«
»Klar.«
»Wo?«
»Sie gehören wohl nicht zu den Ärmsten. Außerhalb von London betreiben sie eine Software-Firma. Frag mich nicht, was sie herstellen, aber sie scheinen im Geschäft zu sein.«
»Dann darf ich mich erst mal für Ihre Mühe bedanken. Das war mehr als ich erwarten konnte.«
»Keine Ursache, Mr. Sinclair. Wenn Sie immer mit so glatten Fragen kommen, ist das kein Problem für uns.«
Ich verabschiedete mich, legte auf und drehte mich zu den Conollys hin, die über Lautsprecher mitgehört hatten. »So, jetzt wissen wir mehr. Was sagt ihr dazu?«
»Das war das berühmte Wespennest«, flüsterte Sheila. »Ich denke, wir stehen am Anfang.«
»Uns hat der Fluch eines Familien-Mörders getroffen«, fasste Bill zusammen. »Aber es ist noch nicht beendet. Wir haben den Schatten des Beils gesehen, und wie wir jetzt wissen, hat er seine Verwandten durch Axthiebe getötet. Himmel, zwei Brüder und einen Schwager. Das war ein richtiger Amoklauf.«
Keiner widersprach. Sheila klopfte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. »Was hat jetzt Priorität?« fragte sie.
Bill lachte. »Ganz einfach, wir werden uns um den Rest der Familie kümmern müssen.«
»Aber nicht jetzt«, sagte ich. »Das können wir morgen in die Wege leiten.« Ich blickte noch einmal auf das Foto mit den vier teuflischen Gestalten und stand dann auf.
»Willst du fahren?«, fragte Sheila.
»Ja.«
Sie lächelte mich schief an. »Ohne Pizza?«
Ich verdrehte die Augen. »Wenn dir das so auf der Seele brennt, dann lass sie kommen.«
»Brauche ich nicht. Sie ist schon da und wird aufgewärmt.«
Bill zuckte mit den Schultern. »Da kannst du nichts machen, John. Sie ist wie immer perfekt…«
***
Die obere Etage des Hauses war aus- und umgebaut worden, und diesen Bereich bewohnte Marion Hopper allein. Es waren drei Zimmer, wobei das größte einen wunderbaren Blick durch das bis zum Boden reichende Fenster-Dreieck erlaubte, der bis weit hinein in das Land reichte, in dem es nur wenige Häuser gab. Vor allen Dingen keine hohen. Hier gab es noch den ländlichen Charakter, den Marion so liebte.
Und sie mochte auch, dass der Weg zu ihrem Arbeitsplatz nicht weit war. Die Firma stand praktisch auf dem Grundstück. Marion war voll integriert. Zudem hatte sie eine entsprechende Ausbildung hinter sich und bezeichnete sich selbst als Computer-Fachfrau.
Das würde auch nach ihrer Hochzeit noch so bleiben, denn ihr Zukünftiger hatte nichts dagegen, dass sie weiterhin ihrer Arbeit nachging. Er selbst liebte seinen Beruf ebenfalls. Nur war er Künstler, Bildhauer und Steinmetz. Er hatte auch das verrückte Grabmal auf dem Friedhof geschaffen, um damit den letzten Wunsch eines Mörders zu erfüllen.
Marion war damals Zwanzig gewesen und hatte im Ausland studiert.
Trotzdem hatten sie die Ereignisse tief getroffen, und sie litt darunter noch immer. Oft wurde sie in der Nacht wach. Geplagt von schlimmen Träumen. Dann sah
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