1148 - Der Butler
durchaus sein, dass der Anruf mit dem letzten Fall zusammenhing und Chief Inspector Tanner etwas Neues zu berichten hatte.
»Ja…«, meldete ich mich.
»Ich bin es, John.«
»Johnny?« Ich wollte es nicht glauben, als ich die Stimme des Jungen hörte. »Du? Um diese Zeit?«
»Ja, ja, und ich rufe nicht an, um dir einen guten Morgen zu wünschen. Echt nicht.«
»Okay, was gibt es?« Etwas in der Stimme des Jungen hatte mich aufmerksam werden lassen. Johnny war kein Typ, der die Pferde scheu machte. Wenn er mich mitten in der Nacht anrief, dann steckte mehr dahinter.
»Hörst du mir auch zu?«
»Ja.«
»Bitte, aber nicht unterbrechen.«
»Nein!«
Johnny sprach wahrlich nicht druckreif. Das konnte niemand verlangen. Erst recht nicht von einem Jungen, der etwas fast schon Wahnsinniges erlebt hatte.
Was ich zu hören bekam, war unwahrscheinlich. Wobei es dabei nicht nur um die Sache ging, sondern auch um die handelnden Personen. Johnny war genau auf den Mann getroffen, den wir suchten, und er konnte mit noch mehr Namen aufwarten. Mir wurden plötzlich all die handelnden Personen präsentiert.
Ich unterbrach ihn nicht. Durch Brummlaute gab ich ihm hin und wieder meine Zustimmung, aber eine Frage drang nicht über meine Lippen. Es war die Überraschung in dieser Nacht, und als Johnny seinen Bericht beendet hatte, fragte ich ihn:
»Wo bist du jetzt?«
»Nicht zu Hause.« Er erklärte mir seinen Standort.
Ich ging auch jetzt nicht auf seinen Bericht ein. »Weißt du, wo die Ogdens wohnen?«
»Ja, Chris war bei mir auf der Schule. Wir haben hin und wieder darüber gesprochen.«
»Wo genau?«
»Willst du hin, John?«
»Natürlich.«
Er gab mir die Adresse durch.
»Danke«, sagte ich und fügte hinzu: »Dann wäre es für dich wohl besser, wenn du jetzt nach Hause fährst. Suko und ich werden uns bei euch melden.«
»Mal sehen.«
»Du fährst, Johnny!«
»Viel Glück!« Er legte auf, und ich ärgerte mich darüber. Johnny hatte den gleichen Dickkopf wie seine Eltern, denen er bestimmt noch nicht Bescheid gegeben hatte, so schätzte ich ihn ein. Johnny war jemand, der gern allein agierte.
Ich blieb einige Sekunden stehen und ließ mir noch mal alles durch den Kopf gehen. Es kam jetzt darauf an, dass wir schnell genug waren. Genau wusste ich nicht, was die beiden Zombies vorhatten, ich konnte mir gut denken, dass sich der Großvater auf eine Rachetour begeben und seinen Enkel dabei mitgenommen hatte.
Suko lag bestimmt nicht im Bett. Ich klingelte nebenan, und es wurde auch rasch abgehoben.
»Du bist noch nicht im Bett, nehme ich an.«
»Richtig.«
»Dann zieh dich erst gar nicht aus. Es gibt was zu tun.«
»Wieso?«
»Alles weitere gleich.« Mehr musste ich nicht sagen.
***
Sir Harold Ogden, die lebende Leiche, und sein Enkel waren unterwegs. Chris wurde noch immer von der starren Totenhand festgehalten. Er war mit seinem Großvater quer über den Friedhof gegangen. Sie hatten eine Mauer überwunden und sich dann nach Süden hin gewandt. Da wusste Chris, wo ihr Ziel lag.
Der Großvater wollte wieder dorthin zurück, wo er lange Jahre gelebt hatte. In das Haus, das er einst erbaut hatte und das nun seinem Sohn gehörte.
Chris wollte einfach nicht begreifen, was er da erlebte. In seinem Gehirn gab es eine Sperre, und so dachte er über die Lage nicht nach. Er fügte sich.
Das Wetter kam ihnen entgegen. Aus den tief hängenden Wolken nieselte der Regen. Er hatte die Straßen feucht gemacht. Der Wind packte die winzigen Tropfen und schleuderte sie in das Gesicht des jungen Mannes. Sir Harold merkte nichts davon. Er war eine Gestalt, die keine Gefühle mehr kannte. Weder Wärme noch Kälte konnten bei ihm etwas verändern. Er verspürte auch keine Schmerzen. Man hätte ihm ein Messer in die Brust stoßen oder ihn auch anschießen können, er wäre weitergegangen. Einer wie er ließ sich durch nichts von der Erreichung seines Ziels abbringen.
Ab und zu warf Chris der Gestalt neben ihm einen scheuen Blick zu. Auch wenn er sie immer sah, er brachte es trotzdem nicht fertig, eine gewisse Logik in das Verhalten zu bringen. Bisher war alles, was im Grab lag, für ihn tot gewesen.
Jetzt erlebte er das Gegenteil. Ein lebender Toter hielt ihn fest und führte ihn weg. Eine Gestalt, die von der Zeit im Grab gezeichnet worden war. Da klebte die Kleidung als dreckige Fahnen an seinem Körper.
Sir Harold war nicht in einem Leichenhemd begraben worden, sondern in einem Anzug. Natürlich hatte er dazu ein Hemd
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