1149 - Begraben, aber nicht vergessen
vor und legte an. Die Makarew hielt sie mit beiden Händen fest, und ihre Augen waren starr auf das Ziel fixiert. Die Wölfe wirkten auf dem weißen Untergrund wie Zielscheiben für sie.
Dann schoss sie.
Die schwere Pistole wummerte los. Karina hatte sich ein Tier aus der Mitte ausgesucht. Die Einschlagwucht der Kugel zerriss den Kopf und schleuderte den Körper hoch. Das Echo des Schusses hallte über den See hinweg, als wollte es der fernen Klosterinsel einen Gruß zuschicken.
Karina schoss weiter.
Für jeden Wolf brauchte sie nur eine Kugel. Schließlich lagen die vier Körper wie verteilt auf der weißen Fläche und bewegten sich nicht mehr.
Karina ließ die Waffe sinken, dann steckte sie sie weg. »Ich mag keine Wölfe«, flüsterte sie. »Als junges Mädchen habe ich mal miterleben müssen, wie ein kleines Kind von einem Wolf angefallen wurde. Das Bild werde ich nie vergessen, und ich erspare dir auch eine Beschreibung.«
»Das kann ich verstehen.«
Wir zogen uns wieder ins Haus zurück.
»Sind sie tot?«, fragte Karina.
»Ja.«
»Gut.«
»Weißt du denn, wie viele Wölfe sich hier noch herumtreiben?«, fragte Karina und ließ sich wieder auf ihren Schemel sinken.
»Nein, aber es sind nicht wenige. Wenn der Winter sehr kalt und lange dauert, treibt es sie immer wieder zu den Menschen, wo sie unter dem Vieh viel Schaden anrichten. Es wird immer eingeschlossen. Manchmal bringt auch das nichts.«
Ich hatte zwar nicht alles verstanden, dachte mir aber den Rest dazu.
Karina stieß mich an. »Ich werde ihm jetzt erzählen, dass wir das Segelboot entdeckt haben. Und auch die Männer darauf. Mal sehen, was er sagt.«
In den folgenden Minuten war ich abgemeldet. Karina und Karel unterhielten sich, und mir blieb nichts anderes übrig, als voller Spannung auf die Übersetzung zu warten, die dann auch nicht lange ausblieb. Der Mann hatte unsere Annahme bestätigt. Auch seiner Meinung nach konnten es nur die Mönche gewesen sein. Hin und wieder segelten sie wie Wächter über den See.
»Dann sind auch sie über die Zombies informiert«, mutmaßte ich.
»Es besteht nur das Problem für uns, dort hinzukommen. Ich werde Karel mal fragen. Er kennt sich hier aus.«
Wieder war ich nur zum Zuhören verdammt, aber die Mimik der Russin sah nicht so schlecht aus.
Die Antworten des Mannes schienen ihr zu gefallen.
»Ja, wir haben Glück, John.«
»Wann, wo, wie?«
»Hier leben ja Fischer. Es gibt da ein altes Boot, und zu segeln brauchen wir auch nicht.«
»Also rudern.«
»Nein. Es gibt im Ort jemand, der ein Motorboot besitzt. An den können wir uns wenden. Mit Geld ist da einiges in die Wege zu leiten, das kannst du mir glauben.«
»Super, Karina. Was würde ich nur machen, wenn ich dich nicht hätte?«
»Das frage ich mich auch…«
***
Die Zeit verstrich langsam, aber sie verging. Die Spannung war von uns abgefallen, und wir hatten es tatsächlich geschafft, noch ein wenig zu schlafen.
Danach erlebten wir einen Sonnenaufgang, der einfach phänomenal war. Die Sonne im Winter.
Nicht grell, mehr fahl, aber sie schien aus dem Wasser des großen Sees in die Höhe zu steigen, um den immer heller werdenden Himmel für sich einzunehmen. Ich hatte das Haus verlassen, stand vor der Tür und schaute diesem Schauspiel zu, wobei ich auch die vier toten Wölfe nicht vergaß, die steif gefroren auf dem Schneeboden lagen und aussahen, als wären sie aus Stein gehauen.
Karel hatte das Haus früh verlassen. Er wollte zu einem Freund gehen und sich um das Boot kümmern.
Zum ersten Mal sah ich den See bei Tageslicht und war über seine Größe überrascht. Mir erschien er wie ein gewaltiges Meer, das keinen richtigen Anfang und auch kein Ende hatte. Seine Fläche sah an vielen Stellen aus wie poliertes Blei, das sich nur leicht bewegte. Über dem Wasser stand die Sonne als rötlichgelbe Scheibe.
Karina trat zu mir. Sie hatte das aus geschmolzenem Schnee entstandene Wasser auf dem Kamin erwärmt und sich gewaschen. Die Wölfe bedachte sie mit kalten Blicken und schaute sich ebenfalls die unendlich weite Wasserfläche an.
»Nichts«, sagte ich.
»Hast du denn etwas erwartet, John?«
»Man hofft immer.«
»Stimmt. Ich nehme an, dass die Mönche, wenn überhaupt, mehr in der Nacht unterwegs sind. Und ich glaube auch, dass es für uns erst richtig spannend in der Dämmerung oder Dunkelheit wird. Aber das müssen wir abwarten. Mal was anders. Hast du keinen Hunger?«
»Doch.«
»Dann komm.«
Ich wunderte mich.
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