115 - Das Höllenbiest
Das Blut rauschte in
seinen Ohren. Sein Herz hämmerte, als wolle es in seiner Brust zerspringen.
Sein Blick ging noch einmal nach oben.
Etwas tropfte auf sein Gesicht.
Blut!
Wie durch einen immer dichter werdenden Nebelschleier sah er den
hellen Leib in der furchtbaren Hand.
Susan!
Wie Streichhölzer wirkten ihre baumelnden Arme zwischen den
Fingern des Titanen. Und es war ihr Blut, das auf die Erde tropfte.
Unbarmherzig zerquetschte Cho-Tosh sie zwischen seinen Fingern.
Rawler verließen die Sinne.
Er merkte nichts mehr davon, daß es Robert Winters und Pamela
Delivery gelang, sich aus dem Zelt zu befreien.
Es gab hier nur eines: fliehen.
Und sie flohen.
Alles an ihnen bebte. Pamela wimmerte wie ein Kind vor sich hin.
Sie wagte nicht, auch nur einen einzigen Blick zurückzuwerfen.
Sie rannten querfeldein.
Der Nebel zu ihren Füßen wabberte, in der Ferne hinter ihnen
verebbten die qualvollen Schreie Steven Rawlers.
Sie wußten nicht, wie lange sie gerannt waren und auch über die
Richtung waren sie sich nicht im klaren.
Plötzlich tauchte in der regennassen Finsternis vor ihnen ein
schwaches Licht auf.
Eine menschliche Behausung!
Aus der Dunkelheit vor ihnen schälten sich die Umrisse eines alten
Gemäuers und eines Rundturms, wie er für Irland typisch war.
Im obersten handtuchschmalen Fenster des Turms brannte das Licht,
das sie schon von weitem bemerkt hatten.
Dort lebte ein Mensch.
●
Robert Winters erreichte die Tür zuerst. Wie ein Verrückter
klopfte und trommelte er dagegen.
»Hilfe!« schrie Pamela Delivery. »Aufmachen! Schnell!« Ihre Stimme
überschlug sich.
Robert hatte seine üppige Freundin noch niemals so aufgeregt
gesehen.
Keiner von ihnen hatte in der allgemeinen Aufregung Gelegenheit
gefunden, noch etwas überzuziehen.
Pamela trug lediglich ihren hauchdünnen Schlüpfer und Robert
Winters eine dunkelrote Turnhose.
Ihre Körper dampfen. Die Haare hingen ihnen in die Stirn.
»Aufmachen! Bitte!« Auch Winters war am Ende seiner Kräfte. Er
atmete schnell und flach, blickte sich aufgereizt am. Er fürchtete, das Monster
sei bereits hinter ihnen her.
Oben in dem schmalen Fenster zeigte sich die Silhouette eines
Menschen.
Jemand öffnete ein Fenster.
»Wer ist da?« fragte eine ruhige Stimme.
Gil Morrison starrte nach unten. Die beiden halbnackten Menschen
vor dem Eingang seiner Behausung irritierten ihn.
Robert Winters und Pamela Delivery redeten wirr durcheinander.
Aus dem, was aus ihnen heraussprudelte, erkannte Morrison, daß die
beiden jungen Menschen ein furchtbares Erlebnis gehabt haben mußten.
Morrison nickte. »Ich komme ’runter! Moment!«
Eine halbe Minute später öffnete er ihnen die Tür.
»Kommt rein«, murmelte er und vermied, auf die fast nackte Pamela
zu blicken. Der völlig durchnäßte Schlüpfer klebte an deren Haut, und es gab
eigentlich nichts mehr, was sie noch hätte verbergen können.
Morrisons Blick schweifte ab, in das regnerische Dunkel, hinüber
zum »Witch’s Hill«. Er konnte nichts sehen.
»Ihr müßt mir alles erzählen, alles«, murmelte er und verriegelte die
massive Tür. »Aber erst gebe ich euch warme Decken, damit ihr euch abtrocknen
könnt. Und dann trinkt ihr ’nen anständigen Whisky. Das bringt euch wieder auf
die Beine.«
Er lächelte. Sein Wesen strahlte Wärme, Wohlwollen und
Freundlichkeit aus.
Aber in ihm peitschte die Stimme durch das Hirn:
»Nachschub, Dr. Bergmann. Ist das nicht wunderbar?«
»Jawohl!« sagte Morrison, und er stand stramm, als grüße er einen
unsichtbaren Auftraggeber.
●
Cho-Tosh beendete sein grausiges Mahl und entfernte sich vom Ort
des Schreckens.
Zurück blieben ein zerstörtes Zelt und zwei grausam zugerichtete
menschliche Körper.
Sie hatten keine Köpfe mehr.
Cho-Tosh hatte sie abgerissen, die Schädeldecke wie eine Nuß
geknackt und das getan, was er auch schon mit den Leichen getan hatte.
Die Schädel waren leer.
Ihnen fehlte das Hirn.
●
Am nächsten Morgen ging das Leben seinen gewohnten Lauf.
In diese abgelegene Gegend kam keine Menschenseele, so daß die
Leichen des jungen Paares erst gegen elf Uhr morgens entdeckt wurden.
Die Entdeckung ereignete sich durch einen Zufall.
Ein Hirte, der seine Schafherde in der Nähe des kleinen Teiches
zusammentreiben wollte, wurde durch das aufgeregte Bellen eines seiner Hunde
zum »Witch’s Hill« hinübergelockt.
»Jamy, hierher! Bei Fuß!« rief der alte Mann. Mit seinen trüben
Augen starrte er
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