115 - Die Herrin des Sumpfes
Augen. Er schwitzte stark, und seine Wangen zuckten. »Ich bin erledigt…«
»Unsinn. Sie kommen schon wieder auf die Beine«, machte ich ihm Mut. Zentimeter um Zentimeter holte ich ihn unter dem Wrack hervor - ganz langsam, um ihm nicht noch mehr wehzutun. Er hatte schon genug Schmerzen.
Die letzten Zentimeter…
»Geschafft!« sagte ich erleichtert.
Mr. Silver ließ das Wrack nicht einfach los, sondern vorsichtig zu Boden sinken. Ich atmete auf.
Doch plötzlich riß der Pilot Augen und Mund auf, und er brüllte mir aus nächster Nähe ins Gesicht, als wäre er komplett übergeschnappt. Gleichzeitig ging ein harter Ruck durch seinen Körper, und dann rutschte er ins Wasser.
Mir stockte der Atem, als ich sah, daß ein Alligator zugebissen hatte.
Das hungrige Tier zog Pablo in den Fluß, und weitere Reptilien näherten sich dem brüllenden Piloten mit aufklaffenden, zahngespickten Mäulern.
Ich griff zum Revolver, doch Mr. Silver war schneller. Aus seinen perlmuttfarbenen Augen stachen rote Feuerlanzen. Sie trafen den Alligator, der sich Pablo geschnappt hatte. Dampfender Qualm stieg vom Schädel des geschuppten Mörders hoch. Der Alligator ließ den Piloten los, und ich ließ den Colt Diamondback stecken. Wieder griff ich mit beiden Händen zu und brachte Pablo Jamanez vor den Bestien in Sicherheit, indem ich ihn hastig aus dem Fluß zog.
Der Alligator, den Mr. Silver attackiert hatte, peitschte das Wasser mit seinem kräftigen Schwanz. Spritzwasser traf uns. Das Reptil bäumte sich auf, schnellte hoch, drehte sich in der Luft und stürzte rücklings in den Fluß.
Seinen Artgenossen war es egal, was sie zwischen die Zähne bekamen. Sie bissen zu und kämpften um den größten Anteil an der Beute. Das Wasser war ständig in wilder Bewegung. Alligatorschnauzen, geschuppte Rücken, gepanzerte Schwänze tauchten in einem unbeschreiblichen Durcheinander auf. Gierig bissen und schnappten die Tiere um sich, und mir rann es eiskalt über den Rücken, während ich dieses grausame Schauspiel verfolgte.
So hätte es beinahe Pablo Jamanez erwischt…
»Ich weiß, sie können nichts dafür, daß sie so sind, wie sie sind«, sagte ich angewidert. »Aber mich ekelt vor ihnen.«
Mr. Silver strahlte Magie ab. Als die Reptilien die fremde Kraft spürten, ergriffen sie die Flucht Ich sah mir das Bein des Piloten an. Die Alligatorzähne hatten häßliche Spuren hinterlassen, aber Pablo würde sein Bein nicht verlieren. Allerdings mußte man die Wunden desinfizieren.
Daran, daß Pablo Jamanez aufstand, war nicht zu denken.
»Ich werde ihn trägen«, sagte Mr. Silver. »Hilf mir, ihn vorsichtig auf meinen Rücken zu heben, Tony.«
Ich wollte es sofort tun, da vernahmen wir das Tuckern eines Motors.
»Da kommt ein Boot«, sagte ich. »Die Garimpeiros scheinen unseren Absturz mitbekommen zu haben.«
Pablos Zustand verschlechterte sich. Der Schock ließ nach, so daß der Schmerz voll durchkarn. Pablo griff nach meiner Hand und drückte sie fest. Was sollte ich ihm sagen?
»Garimpeiros!« berichtete ich ihm. »Sie holen uns mit einem Boot, Pablo.« Bekam er meine Worte überhaupt noch mit? Wenn der Schmerzpegel noch weiter anstieg, würde der Pilot in Kürze das Bewußtsein verlieren. Eine Schutzmaßnahme des menschlichen Körpers. Wenn er die Schmerzen nicht mehr ertragen kann, schaltet der Geist ab.
Pablo ließ meine Hand los und tat einen tiefen Atemzug; dann entspannte er sich und lag still… Wie tot, als hätte er soeben seine Seele ausgehaucht. Ich griff nach seiner Halsschlagader und war beruhigt, als ich den Puls deutlich spürte.
Als ich mich aufrichtete, sah ich das Boot in der Mitte des Flusses. Es war mit zwei Mann besetzt, und es würde sehr eng für uns alle werden, wenn wir einstiegen. Wir machten uns mit Handzeichen bemerkbar, aber das wäre nicht nötig gewesen, denn die Garimpeiros hatten das Flugzeugwrack bereits entdeckt und nahmen Kurs auf uns.
Der Mann, der das Boot steuerte, rief etwas auf portugiesisch. Ich nahm an, er wollte wissen, ob der Pilot tot wäre.
»Er ist nur bewußtlos«, gab ich in meiner Muttersprache zurück.
»Seid ihr Engländer?« wollte der Mann auf englisch wissen.
»Ja«, antwortete ich.
Das Boot legte an. Mr. Silver und ich zogen es ein Stück weiter an Land.
»Das war schon lange fällig«, sagte der Mann am Heck. »Pablo ist ein großartiger Bursche, aber er hat keine Ahnung vom Fliegen. Manche lernen’s schnell, manche langsam - und manche lernen’s nie.«
Wir
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