115 - Die Höhle des Chakra
gehörst der Sekte an, die die Padmas bekämpfen. Welche Ziele verfolgst du?"
„Ist es ein Verbrechen, eine Chakra zu sein? Die Padmas hängen einer Irrlehre an. Padmasambhawa Bodhisattwa ist ein Blender, ein böses und dämonisches Wesen. Er selber ist es, der seine Anhänger vernichtet und verzehrt. Er narrt sie. Er nährt sich von den geistigen Kräften seiner Gurus und Sadhus, die er auf grausame Weise tötet."
„Bist du sicher, daß es so ist?" fragte Unga. „Dann lauert also Padmasambhawa Bodhisattwa im Kailasanath-Tempel?"
„Allerdings."
„Warum hast du mich begleitet, Manjushri? Solltest du mich beobachten und ausspionieren?"
„Du bist der Diener einer unbekannten Macht, des Hermes Trismegistos. Ja, ich sollte bei dir bleiben. Chakravartin will wissen, ob du sein Feind oder sein Freund bist."
„Geh hinaus, Don!" sagte Unga. „Und schweige gegenüber Sri Mahadev und allen anderen über das, was hier in diesem Zimmer gesprochen worden ist!"
Unga öffnete Don die Zimmertür und ließ ihn in das nebenan gelegene Zimmer, das er mit dem Zwergmann teilte. Dann kehrte er zu Manjushri zurück.
Sie hatte ihr Make-up jetzt beendet und stand am Fenster. Als Unga eintrat, wandte sie sich ihm zu. Er schloß die Tür hinter sich.
„Hast du dich nur mit mir eingelassen, weil Chakravartin es befahl?" fragte er.
„Nein, Unga, das war meine Entscheidung. Ich sollte dich nur beobachten und begleiten. Der große Chakra hat mir nichts weiter vorgeschrieben. Du sollst wissen, daß ich die 'jüngste Tochter des Maharadschas von Jaipur bin. Jetzt aber werde ich bald in das Paradies des Chakra eingehen."
Unga packte sie an den Schultern. „Komm zu dir, Manjushri! Hast du dieses Totenkopfmonster nicht gesehen? Wenn der Abgesandte des Chakravartin so aussieht, wie mag dann erst sein Herr sein? Du befindest dich in den Krallen eines Dämons oder einer unbegreiflichen und schaurigen Macht von außerhalb dieser Erde. Ich will versuchen, ob ich dich nicht hypnotisieren oder mit meinem Kommandostab beeinflussen und vom Banne Chakras befreien kann."
„Lieber will ich sterben, Unga. Chakra ist mein Leben - mehr noch, die Krönung meiner Reinkarnationen, mein Karma und Dharma. Aufgehen werde ich in dem Weltenbeherrscher und im Nirwana des ewigen Glückes teilhaftig sein. Du solltest auch ein Chakra werden, Unga. Was bedeutet die äußere Gestalt des Boten? Weniger als nichts. Chakra hat für seinen Boten gerade deshalb eine so abstoßende Gestalt gewählt, damit wir es lernen, über Äußerlichkeiten hinwegzublicken."
Unga konnte sagen, was er wollte, er vermochte Manjushri nicht zu überzeugen. Sie war eine fanatische Anhängerin des Chakravartin. Der Cro Magnon versuchte, sie mit seinem Kommandostab zu hypnotisieren, aber es ging nicht. Sie befand sich im Banne eines Stärkeren. Auch die Berührung mit dem Kommandostab bewirkte bei Manjushri nichts.
Unga kamen selber Zweifel. War der Chakravartin am Ende vielleicht gar keine böse außerirdische Macht? Mißbrauchten die Janusköpfigen den Namen Padmasambhawa Bodhisattwa?
Unga wußte, daß es nur einen Weg gab, die Wahrheit herauszufinden: Er mußte in den Kailasanath- Tempel gehen.
Er erfuhr von Manjushri, wie sie eine Chakra-Anhängerin geworden war.
„Mein Vater, der Maharadscha von Jaipur, gehört zum Rajya Sabha, zum Staatsrat. Er ist sehr, sehr reich und besitzt viel politischen Einfluß. Aber mir lag es nicht, wie eine Drohne im Überfluß zu leben. Ich habe Medizin studiert und bin praktische Ärztin. Gegen den Willen meiner Eltern und Angehörigen schloß ich mich dem staatlichen Entwicklungsdienst an. Zum staatlichen Entwicklungsdienst gehören junge Akademiker,, die aufs Land gehen und in rückständigen Dörfern leben und wirken - als Lehrer, Ärzte und Agrarfachleute. Aber bald mußte ich erkennen, daß mit Begeisterung und dem leidenschaftlichen Einsatz von ein paar Leuten allein Indiens Probleme nicht zu lösen waren."
Manjushri saß auf dem Bett. Jetzt erschien sie Unga schöner denn je. Der Cro Magnon hatte auf einem geflochtenen Hocker Platz genommen und hörte schweigend zu.
„Technik und Fortschritt allein konnten keine Lösung bringen", fuhr Manjushri fort. „Ich wandte mich den Heilslehren zu, den Philosophien der Weisen und Erhabenen. Die großen Religionsstifter, die Heiligen und Weisen der Vergangenheit waren kluge Leute, mit der menschlichen Natur und der des Universums vertraut, die sie in Visionen und Meditationen geschaut hatten.
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