1153 - Die Gruftie-Girls
etwas für dich? Du bist sensibler als ich und hast sie auch weggebracht.«
»Okay, was tut man nicht alles für seinen Freund. Für diese Frau muss eine Welt zusammengebrochen sein.«
Da hatte er Recht. Ich schaute ihm nach, wie er auf leisen Sohlen den Raum verließ. Erst als ich seine Schritte nicht mehr hörte, setzte ich mich neben den Liegenden auf die Bettkante und schaute in sein Gesicht, das durch das Licht von einem grauen Farbton bedeckt war, der auch die leer wirkenden Augenhöhlen erreichte.
Ein Mensch ohne Augen bietet ein schreckliches Bild. Das ist am besten zu vergleichen mit einer Maske, denn sie hat ja auch leere Augen. Doch hier ein menschliches Gesicht zu wissen, das war schon anders. Eine Maske lebt nicht, ein Gesicht schon, obwohl ich auch das Gegenteil erlebt hatte.
Ich wusste nicht, wie die Ärzte ihn in der Klinik behandeln würden, und mir war auch nicht bekannt, ob er unter Schmerzen litt, denn es drangen keine entsprechenden Geräusche aus seinem Mund, aber er war nicht mehr bewusstlos, denn er bewegte seine Lippen, obwohl es aussah, als würden sie sich von allein bewegen und von einer fernen Kraft gelenkt werden.
Wollte er reden?
Zumindest in den folgenden Sekunden passierte nichts dergleichen.
Ich hörte nur einen leisen Atem, und als ich meinen Handrücken vor die Lippen hielt, spürte ich den Hauch.
Ich schreckte einmal zusammen, als aus dem anderen Zimmer der Schrei einer Frau zu hören war. Mrs. Gentry musste jetzt von Suko die ganze Wahrheit erfahren haben, und das war für sie ein Schock, denn sie war ein Mensch mit Gefühlen und keine Maschine. Mehr hörte ich nicht und konzentrierte mich wieder auf Elmar Gentry, der jetzt sprach. Es war seine Stimme, nur hörte sie sich so anders an. Nicht nur leise, sondern auch fremd, und es fügten sich geflüsterte Worte zu dürren Sätzen zusammen, wobei ich mehr Zischlaute hörte.
Ich verstand nichts.
Es war wirklich seltsam, aber er redete in einer fremden Sprache mit singenden Untertönen. Sehr hoch in der Frequenz und nichts für die Ohren eines Menschen.
Natürlich dachte ich darüber nach und gelangte zu einem Ergebnis.
War das unter Umständen die Sprache der Engel? Der sündigen oder gefallenen Engel, die sich auf diesem hohen Frequenzniveau untereinander verständigten?
Abschmettern konnte ich diesen Gedanken nicht. Ich horchte weiter.
Zwischendurch waren auch normale menschliche Worte zu vernehmen, wenn auch nur in Fragmenten.
Von einem Nichtverlassen war da die Rede. Immer bei ihm sein.
Vertrauen geben. Die Zeit war reif. Die Sünde würde die Welt und damit auch die Menschen erfassen. Der Anfang war gemacht. Alles brauchte seine Zeit. Das jedenfalls reimte ich mir zusammen.
Elmar Gentry bäumte sich plötzlich auf. Sein Gesicht schnellte mir ebenso entgegen wie die Arme. Es sah so aus, als hätte sich ein Toter durch das Verlassen der Luft aus seinem Körper noch einmal bewegt und den entsprechenden Schwung bekommen.
Ich hielt ihn fest.
Wir schauten uns an.
Dann sackte die Gestalt in meinem Griff zusammen, und ich ließ sie wieder nach unten gleiten. Ich bekam Furcht um ihn und fühlte nach seinem Herzschlag.
Er war nicht tot, aber die Bewusstlosigkeit hielt ihn zum zweiten Mal umfangen. Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn in der Wohnung schlug die Klingel an.
Da war der Notarzt gekommen. Alles Weitere, was diesen verdammten Fall anging, war einzig und allein unsere Sache.
***
Julia und Wiebke saßen sich am Tisch gegenüber. Die Nacht war vergangen, ein großer Teil des Tages auch, und sie wussten, dass ihr Auftritt bald stattfinden würde, denn im Darkroom erwartete man sie bereits.
Es ging ihnen gut. Sie lächelten sich öfter als gewöhnlich zu und hoben auch manchmal die Gläser, um sich zuzuprosten.
Beide saßen am Tisch und aßen. Julia hatte den Salat zubereitet. Dazu nahmen sie Brot, keine Butter, nur wenig helles Putenfleisch. Sie handelten wie Menschen, obwohl sie beide wussten, dass sie nicht dazugehörten, trotz ihres Aussehens.
Sie waren als Vorboten der Sünde auf die Erde geschickt worden, um den Weg zu bereiten, damit die später gepflanzte Saat ohne große Probleme aufgehen konnte.
Nick war noch bei ihnen. Er saß nur nicht mit ihnen am Tisch und hielt sich mehr im Hintergrund auf. Nick war zu ihrem Diener geworden. Sie ließen sich von ihm bedienen. Er servierte, er schenkte auch nach und tat alles mit einem verklärten Lächeln auf den Lippen.
Nick gehörte zu ihnen. In der Nacht
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