1155 - Der Erwecker
Die Entwicklung der Menschheit hatte einen Sprung nach vorn gemacht. Viele solcher Sprünge hatte es in der Zwischenzeit gegeben.
Und wofür? Um Vishna in die Hände zu fallen?
„Ich glaube, Le So Te kann uns retten", sagte Bully zur Verwunderung aller. Er richtete seine Augen zum Eingang, durch den sie den Mönch jeden Augenblick bringen mußten.
Im Hauptquartier der LFT war alles für seinen Empfang vorbereitet. Alle wichtigen Personen hatten sich eingefunden.
„Er ist ein Scharlatan. Er manipuliert mit der übersteigerten Einbildungsfähigkeit der Menschen, die in den letzten Wochen sprunghaft gestiegen ist", meinte Tifflor. „Wir werden es gleich erfahren!"
Auf dem Korridor entstand Unruhe. Männer und Frauen in den Kombinationen der LFT kamen herein. Sie trugen Lähmstrahler und berichteten, daß es ihnen nur mit Mühe gelungen war, eine Menge von etlichen zehntausend Menschen am Betreten des Gebäudes zu hindern. In den Straßen Terranias brandete der Jubel. Sprechchöre riefen nach Le So Te.
„Sie sind unberechenbar geworden", zischte die Hanse-Sprecherin Mae Asterood.
„Allein aus Gründen der Sicherheit müssen wir den Mönch festhalten!"
Sie konnten es nicht, da kein rechtlicher Grund dafür vorlag. Le So Te hatte bisher kein Gesetz übertreten, das einen solchen Eingriff in seine persönliche Freiheit rechtfertigte.
Gespannte Stille löste das Summen der allgemeinen Unterhaltung ab. Le So Te betrat den Raum.
Er war, wie die Gerüchte es sagten, alt, abgeklärt und würdig. Er verbreitete Güte, und die Menschen waren sofort versucht, Vertrauen zu diesem Mann zu fassen. Alles in allem war Le So Te eine äußerst einnehmende Person.
Der Mönch nickte seinen Begleitern dankend zu. Sie gaben ihm den Weg frei, und er schritt auf die Versammelten zu. Keine drei Meter von ihnen entfernt blieb er stehen.
Bully glaubte die positive Aura zu spüren, die den blau verhüllten Körper umgab. Ohne daß ein Wort fiel, war Le So Te zum Mittelpunkt des Saales geworden. Während sich die Bewaffneten bis an die Tür zurückzogen, ließ der Mönch die Musterung kommentarlos über sich ergehen.
„Wir wollen dir ein paar Fragen stellen", eröffnete Tifflor ihm dann. „Deshalb haben wir dich hierher bringen ..."
Le So Te bewegte seinen Körper. Es war eine unnatürliche Bewegung, und die unterbrach Tifflors Satz.
„Ich bin der Herr der Toten", sagte der Mönch. „Das Zeitalter des Todes ist zu Ende!"
„Du meinst mit dem Tod Vishna?" forschte Deighton. „Oder was sonst? Wie viele Menschen willst du wieder zum Leben erwecken? Mit welchen Tricks arbeitest du?"
Etwas Abweisendes huschte über Le So Tes Gesicht. Aber die Güte und Verinnerlichung seines Ausdrucks ließ es nicht deutlich zur Geltung kommen. Der Mönch war durch Jahrzehnte- und jahrhundertelange Meditation zu einem Stadium der Verinnerlichung und Entäußerung gelangt, die ihm zu einer fast vollkommenen Beherrschung von Geist und Körper verhalf.
„Wen gäbe es, der mit eigenen Augen meine Taten gesehen hat und sie verleugnete?"
fragte der Mönch zurück. „Kraft meiner Existenz erwecke ich die Toten. Ich kann alle Menschen ins Leben zurückholen. Egal aus welcher Zeit."
Er machte einen Schritt auf den Sicherheitschef der Hanse zu, in dessen Augen der Zweifel am deutlichsten glomm. Er streckte die Arme aus, als wolle er Deighton berühren.
Galbraith rührte sich nicht, und Le So Te ließ die Arme wieder sinken.
„Bisher sind es nur Gerüchte. Du bist ein geschickter Spieler und kalkulierst die Angst der Lebenden mit ein!" gab der Sicherheitschef heraus. „Ein Wundertäter bist du nicht!"
„Gal, vielleicht sollten wir erst einmal abwarten", mischte sich Bully ein. „Wer schickt den Mönch? Hat er einen Auftrag?"
Bully dachte natürlich an Ellert und ES. Deutete nicht das Vorgehen Le So Tes darauf hin, daß eine starke Macht hinter ihm steckte? Hatte ES ihn geschickt, um die Taten Vishnas rückgängig zu machen?
Sie wußten, daß Vishna plante, die Erde zu entvölkern.
Le So Te sorgte dafür, daß die Toten wieder lebten.
Es war fast soviel wie ein Beweis.
„Meine Taten sprechen für mich", antwortete der Mönch mit seiner sanften, tönenden Stimme, in der alle Oktaven menschlichen Hörvermögens enthalten schienen. „Ich richte das Reich des Ewigen Lebens auf!"
Bully und Tiff flüsterten miteinander. Sie gaben Gruderkon ein Zeichen. Der Hanse-Sprecher trat hinzu und musterte den Mönch eingehend. Mehrmals nickte er.
„Es
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