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1155 - Der Erwecker

Titel: 1155 - Der Erwecker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Lawine, die sich aufwärts bewegt, statt abwärts.
    Sie trat ihrem Vordermann gegen das Wadenbein und seufzte widerwillig.
    „Geh doch schneller!" sagte sie. „Oder denkst du, ich will alt werden, bis ich am Ziel bin?"
    Sie erhielt keine Antwort. Niemand machte sich die Mühe, etwas zu sagen oder auf eine Beschimpfung zu reagieren. Lethargie hatte sich ihnen über den Geist gelegt, in der sie alles ertrugen, was ihnen zu schaffen machte.
    Zwei Tage ohne Wasser und Nahrung. Zwei Nächte ohne Schlaf.
    Manche taumelten. Ein paar waren schon abgerutscht und über die steile Kante in das Tal hinabgestürzt. Niemand kümmerte sich darum, niemand nahm es bewußt wahr.
    Dort droben wartete die Erfüllung, dort begann das Ewige Leben, wie er es ihnen verheißen hatte.
    Der Retter der Menschheit, der Mönch Le So Te. Sie sahen sein gutmütiges Gesicht vor Augen, das Edle, das aus ihm strahlte. Sie wußten, daß er sie oben erwartete. Er bildete am Abschluß ihrer Wanderung die Spitze des Zuges.
    Er wies ihnen den Weg.
    Manchmal brach jemand in der Menge zusammen. Atemnot oder Erschöpfung waren die Ursache. Niemand beachtete es.
    Es war wie ein Rausch, und in ihrer Sucht trampelten sie über die Armen hinweg.
    Vishna und die Plagen waren längst aus ihrem Bewußtsein verschwunden. Sie sahen die Vergangenheit nicht mehr und hatten sie nur allzu gern vergessen.
    Daß sie nicht gefragt worden waren, was sie denken sollten, daran dachten sie nicht. Es gab keine Möglichkeit für sie, Zweifel an ihrem gemeinsamen Vorsatz zu hegen.
    Wie die Lemminge quälten sie sich dahin, eine - gedrängte Population ungeheuren Ausmaßes, die sich ihrer selbst nur Herr werden konnte, indem sie den einzig möglichen, endgültigen Schritt vollzog.
    Die Zukunft war greifbar nahe.
    „Wir erreichen das ewige Leben!" schrieen die Menschen. Je weiter sie aufwärts stiegen, desto lauter verkündeten sie es. Je höher sie kamen, je dünner die Luft wurde, desto größer wurde der Chor derer, die in das Bekenntnis einstimmten.
    Ich bin Dalya, dachte die Frau wieder. Ich bin geboren worden, damit ich den Weg hierher finde. Ich habe ihn gefunden, mein Leben ist erfüllt.
    Dalya Mattras war überglücklich. Sie spürte den Sauerstoffmangel, doch sie achtete nicht darauf. Die Menschen um sie herum starrten sie aus weißen, matten Gesichtslarven an, die nur die Augen freiließen. Sie trugen alle lange, schwarze Umhänge. Die Farbe des Todes.
    Von allen Seiten kamen sie auf die Frau zu, und ihre Hände, die sie nach ihr ausstreckten, waren ebenso weiß und blutlos. Ein Lachen kam aus ihren hohlen Mündern, das wie das Lachen der Papageien klang.
    Sie ergriffen Dalya und verhinderten, daß sie in den Abgrund stürzte.
    „Es ist zu früh, Dalya", sagten sie. „Viel zu früh!"
    Weiter stolperte die Frau. Von oben drangen Schreie an ihre Ohren. Sie kündigten das Ziel an. Es war greifbar nahe, gar nicht weit über ihr.
    Dort oben, die Felsspitze. Nach ihr sehnte sie sich. Dort war er.
    Er war stark, und er wurde immer stärker. Diese Gedanken manifestierten sich in ihrem Gehirn. Je mehr Menschen die Schwelle zum Ewigen Leben überschritten, desto kräftiger wurde er.
    Stärker als je zuvor.
    Nur auf diese Weise konnte er sich weiterentwickeln.
    Das war das große Geheimnis, das er ihnen so kurz vor dem Gipfel enthüllte.
    Kommt jetzt, hörten sie seine lockenden Rufe.
    Dalya sah die Menschen um sich wieder normal. Sie trugen gewöhnliche Kleider und verklärte Gesichter. Zusammen mit über hundert Männern, Frauen und Kindern erreichte sie den Gipfel des Berges.
    Die Ewigkeit! lächelte sie und blickte hinab über die Welt. Le So Te, wir sind bereit!
    Sie brauchte ihre Füße gar nicht zu bewegen. Sie wurde gezogen und geschoben. Es durfte keine Stockung geben in dieser großen Wanderung. In breiten Reihen setzten die Menschen einen Fuß über die Kante und stießen sich ab.
    Wie Blinde stürzten sie über die Felskante in das tausend Meter tiefer liegende Tal hinab.
    Sie folgten Le So Tes Ruf.
     
    8.
     
    Galbraith Deighton starrte in die Düsternis hinaus. Die Scheinwerfer jenseits des Energiefensters erhellten zwar den Boden, aber sie brachten es nicht fertig, dem Mondboden ein freundlicheres Aussehen zu verleihen.
    Regolith war es, der in unterschiedlicher Dicke den eigentlichen Gesteinskern des Trabanten bedeckte. Man konnte ihn als eine Schotterdecke aus losen Gesteinstrümmern und feinem Steinmehl betrachten.
    Fußabdrücke führten in wirrem

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