116 - Der Mitternachtsteufel
sagte ich.
Ich führte Phillip vor. Tirso folgte uns. Er war ein tapferer kleiner Junge.
Nach kurzem Zögern kam Kiwibin ebenfalls zu uns. Er mochte ein Schlitzohr sein, und manchmal hätte ich ihn in der Luft zerreißen können, aber ich brachte es nicht fertig, ihm längere Zeit zu grollen. Irgendwie mochte ich Kiwibin.
Wir blieben vor den Dorfbewohnern stehen. Jene, die sich für Dämonen hielten, knurrten und grollten.
Phillip hatte die Hände in den Taschen seiner dicken Parka und schaute sie gleichmütig lächelnd an. Die Parka war ihm viel zu weit. Und die Pelzmütze rutschte ihm fast bis über die Augen. Gefährlich sah, er bestimmt nicht aus in dieser Aufmachung und mit seinem träumerischen Blick. Aber für die Dämonen war er das reinste Gift.
Ich schaute mich um. Die Parapsychologen fotografierten, und auch Kiwibin hob die Kamera. Er knipste, und wir warteten, bis das Bild entwickelt war.
Grau war der Himmel und dunstig. Die Gipfel der Berge, welche das weitläufige Tal umgaben, waren kaum zu erkennen.
Jetzt fiel mir auf, daß der Hund wohl zu den Personen aus der linken Gruppe lief, aber nicht zu denen aus der rechten.
Kiwibin zog das entwickelte Bild aus der Kamera. Ich erschrak. Ich hatte schon allerhand gesehen, aber eine so scheußliche Versammlung von Dämonen noch nicht. Die Aufnahmen der Dämonen überschnitten sich mit denen der Menschen. Manchmal war der Mensch deutlicher zu sehen, manchmal der Dämon. Es war, als gehörten die Dämonen zu den Menschen, als wären sie ein Bestandteil ihrer Aura, ihres Fluidums.
Im Hintergrund sah ich Stenka, Neljas Dämon, der alle andern überragte. Er fletschte die Zähne und hob drohend die Klauen.
Kiwibin schoß noch ein paar weitere Fotos. Es war immer die gleiche Dämonenversammlung. Zur Kontrolle bat ich ihn, auch von den Dorfbewohnern zur Rechten ein paar Aufnahmen zu machen. Es stellte sich heraus, daß sich auch unter ihnen drei Dämonen befanden, die schwach zu erkennen waren. Die drei Leute wurden zu den andern auf die linke Seite getrieben. Auch ein Kind war darunter.
Dr. Wassiliew rief etwas. Ich verstand unter anderem auch den Namen Nelja.
Dieser Teil des Experiments war vorbei. Die Dorfbewohner konnten gehen.
Jetzt konnte ich sehen, wie sich die Harmlosen vor den Dämonen fürchteten und duckten. Ein Kind stieß eine alte Frau zur Seite und fauchte. Zweifellos hielt es sich für einen Dämon.
Sechs der Dämonen, darunter auch Nelja, wurden auf dem Platz zurückgehalten; die andern verschwanden in ihren Häusern und Katen.
Die Parapsychologen begaben sich nun alle zu den Tonbandgeräten, die abgespielt wurden. Das eine hatte in der Kälte prompt versagt, ein anderes lieferte auch kein brauchbares Ergebnis. Die Dämonen gefielen sich offenbar in Schweigen, oder sie konnten keine Laute von sich geben. Oder war Phillips Einfluß, der es ermöglichte, daß die Fotos gemacht werden konnten, heute anders?
Dr. Wassiliew wandte sich direkt an mich. Ich stand bei Phillip und Tirso, meinen beiden Schützlingen.
„Hat der blaue Junge die Dämonen mit bloßem Auge gesehen?" fragte Wassiliew.
Ich hatte Tirso ein paarmal gefragt, aber immer nur ein Kopfschütteln erhalten.
„Fragen Sie den Jungen, weshalb er die Dämonen nicht gesehen hat!" sagte Dr. Wassiliew.
Er sagte es kalt und befehlend. Immer wenn er von Tirso sprach, bekam seine Stimme einen abschätzigen Unterton.
„Ihr Ton gefällt mir nicht, Dr. Wassiliew", sagte ich. „Vergessen Sie nicht, daß wir freiwillige Mitarbeiter sind!"
Er grinste höhnisch. „So - glauben Sie? Dann werfen Sie doch einmal einen Blick in die Runde.
Er meinte die schwerbewaffneten Milizsoldaten.
Kiwibin mischte sich ein. Die beiden Männer stritten sich auf russisch. Kiwibin brüllte. Wassiliew antwortete ihm arrogant. Da wurde Kiwibin gefährlich ruhig. Er hielt den Kopf schräg, schlug auf die Pistolentasche, die er an diesem Tag über den Mantel geschnallt trug, und sagte einige wenige Worte, von denen ich sogar drei verstand. Sie lauteten:
Komitet Gossudarstvennoje Bezapostni.
KGB - Staatssicherheitsdienst. Ich vermutete, daß Kiwibin Dr. Wassiliew gefragt hatte, ob er seine parapsychologischen Studien in einem Straflager in Sibirien fortsetzen wollte.
Dr. Wassiliew verstummte abrupt und zog den Kopf ein.
„Dr. Wassilij Wassiliew bittet höflichst um Ihre Mitarbeit und die Beantwortung seiner Frage", sagte Kiwibin.
Ich fragte Tirso.
„Ich weiß nicht", sagte er. „Heute habe ich nichts
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