116 - Geheimexperiment Todessporen
leise der
Riegel. Die Tür wurde geöffnet. Geistesgegenwärtig drückte sich Larry in eine
dunkle Türnische und verhielt sich still und abwartend. Er merkte, wie die
James- Bond-Verehrerin aus der Tür spähte, den Gang entlangblickte und sich
vergewisserte, dass niemand sonst in der Nähe weilte. Die Tür klappte kaum
hörbar ins Schloss. Larry hielt den Atem an und wagte nicht, den Kopf auch nur
einen Millimeter über den Rand des Türrahmens zu schieben. Die Gefahr, bemerkt
zu werden, war groß. Er fürchtete, dass Esther Calley den Gang in seine
Richtung entlanggehen und damit an ihm vorbeikommen würde. In diesem Fall
konnte er sich noch so tief in die Nische drücken, es würde nichts helfen. Die
Frau musste ihn einfach sehen, selbst bei dem schummrigen Licht. Es sei denn,
ihre Aufmerksamkeit war von etwas anderem derart abgelenkt, dass sie die Türnische
keines Blickes würdigte. Für den Fall, dass es dazu kam, musste er sich eine
plausible Erklärung einfallen lassen. Seine Befürchtung wurde im nächsten
Moment zur Gewissheit. Zuerst sah er ihren Schatten, dann roch er ihr Parfüm
und bemerkte ihre schmale, weiße Hand, die über den Rahmen der Türnische glitt.
Dann - war sie da!
Schlank und
schön, und jede ihrer aufregenden Formen kam in dem hauteng anliegenden schwarzen
Hausanzug, den sie trug, zur Geltung. Er war aus einem Stück gearbeitet, und
sie sah darin aus, als wäre sie hineingewachsen. Das Oberteil war mit einem
aufregenden Goldmuster versehen, und der Reißverschluss stand weit genug offen,
um erkennen zu lassen, dass Esther Calley darunter nichts als ihre reine
makellose Haut trug. Die schöne Wissenschaftlerin wandte ihm das Profil zu, und
Larry hatte noch die Hoffnung, dass sie ihn im Halbdunkel übersah, weil sie
ihre Aufmerksamkeit auf den Korridor richtete. Plötzlich ruckte ihr Kopf herum
... und sie sah Larry Brent!
„Hallo!“,
sagte X-RAY-3 freundlich und hob lässig die Rechte. „Dann hat sich meine
Hoffnung doch noch erfüllt...“
Esther Calley
schnappte nach Luft.
„Nicht
schreien!“, wisperte Larry und führte die Finger an die Lippen. „Sonst wecken
Sie das ganze Personal, und dann wird’s kritisch. Für Sie wie für mich.“
Seine Worte
waren nicht minder überraschend für sie wie seine Anwesenheit. Esther Calley
bewies, dass sie gute Nerven hatte. „Sie sind doch dieser Mister Brent, nicht
wahr?“, sagte sie schnell.
„Oh, ich höre
und staune ... Wir wurden einander noch nicht vorgestellt - und doch scheinen
Sie schon von mir gehört zu haben.“
„Ich habe
sogar Ihr Bild gesehen, das Boaring zugeschickt bekam, damit er die beiden
Besucher wiedererkennt, wenn sie kommen. Außerdem hat es sich wie ein Lauffeuer
verbreitet, dass zwei Regierungsabgesandte hier aufkreuzen würden.“
„Was sich
eigentlich nicht wie ein Lauffeuer verbreiten sollte“, entgegnete X-RAY-3.
„Regierungsaufträge laufen normalerweise geheim ab.“
„Eben deshalb
wurden wir alle unter dem Siegel der Verschwiegenheit informiert.“
„Und nun
ertappe ich Sie wohl dabei, wie Sie gerade auf dem Weg sind, um einen weiteren
Mitarbeiter in Kenntnis von meiner Anwesenheit zu setzen, wie?“, flachste Larry
Brent und schmunzelte.
Esther Calley
seufzte. „Ich hoffe, Sie nehmen mich deshalb nicht gleich fest? Sie haben die
Lage mit einem einzigen Blick erkannt, Mister Brent.“
Dass er dabei
auf ihren Ausschnitt starrte, gab diesen Worten eine doppelsinnige Bedeutung.
Larry hob kaum merklich die Augenbrauen. „Aber nun sollten wir wirklich
ernsthaft miteinander reden, Miss Calley ... Ich nehme an, Sie konnten nicht
schlafen.“
„Richtig.“
„Und jetzt
wollten Sie noch einen Bummel durchs Haus oder ins Freie machen ...“
„Stimmt nicht
ganz. Es hatte einen besonderen Grund, dass ich nicht schlafen konnte.“
„James Bond,
ich weiß ...“ Larry grinste von einem Ohr zum anderen.
„Wie kommen
Sie denn darauf?“
„Wenn man
sich vorm Zubettgehen so aufregende Filme ansieht, geraten die Nerven ins
Vibrieren.“
„Und eben
dieses Vibrieren war es, was mich veranlasste, mein Zimmer zu verlassen. Woher
wissen Sie das eigentlich mit den Filmen, die ich mir ansehe?“
„Nicht nur
Ihr Ausschnitt, Esther, gewährt tiefen Einblick, sondern auch ihr Fenster zum
Living- room ... Ich hatte dort einen Logenplatz, von
dem aus ich alles hervorragend verfolgen konnte.“ Das Lächeln, das flüchtig um
ihre Lippen spielte, konnte er nicht recht deuten. „Ich nehme an, dass
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